Sie amüsieren sich im Tode

■ Eine ganz normale Familie: „The Munsters“ in der ARD am Nachmittag

Eigentlich sind die Munsters eine ganz normale Familie. Wenn man von ein paar Eigenartigkeiten absieht. So gibt es auf dem Dach ihres trauten Heims in der Mockingbird Lane 1313 keine Blitzab- sondern Blitzeinleiter. Die hohen Voltzahlen braucht der 479 Jahre alte Opa (Al Lewis) im Keller für seine Experimente. Bei seinem hohen Alter ist es verständlich, daß der experimentier- und bastelfreudige Saugezahn aus Transsylvanien die eine oder andere Formel nicht mehr korrekt memoriert. Periodische Detonationen erschüttern das Gemäuer. Aber das stört den zumeist Zeitung lesenden Onkel Herman (Fred Gwynne) nicht. Denn wenn er sich vor Freude mal auf die Schenkel klopft, ist das Resultat ungleich heftiger. Herman (sprich Höhm'n) wurde vor 150 Jahren von einem gewissen Victor Frankenstein assembliert — im Akkord, wie es scheint. Von seinem Aussehen darf man nicht auf das Innere schließen. Mit seinem Charme kann Onkel Herman sogar einen Geier dazu überreden, Vegetarier zu werden. Glücklich verheiratet ist er mit Lily Munster (Yvonne de Carlo), mit 137 im besten Alter, so schön wie an dem Tag, an dem sie starb. Sie duftet nach Chanel Nr. 13, am Ehering trägt sie nicht Bern- sondern Grabstein. Am liebsten bedient sie den Hoover- Staubverteiler oder strickt Spinnenweben. Ihr Sohn Eddy (Butch Patrick) ist zehn und hat das Zeug, ein rechtschaffener Werwolf zu werden. Wenn er nicht immer die mülltonnengroßen Chappy-Dosen herumstehen lassen würde, mit denen er den Hausdrachen Spoty füttert. Vollkommen aus der Art geschlagen ist nur die Nichte Marilyn (Beverly Owen), die aussieht wie eine Kreuzung aus Marilyn Monroe und Doris Day. Spielend könnte sie jede Mißwahl gewinnen, doch ihre Verwandten bedauern das „häßliche Entlein“ wegen ihrer Entstellungen. „Du hast ja Ringe unter den Augen. Damit siehst du gleich viel besser aus“, sagt Lily begeistert, nachdem Marilyn einmal drei Nächte lang nicht schlafen konnte.

Redlich bemühen sich die Munsters, wie eine amerikanische Durchschnittsfamilie zu erscheinen. Sie haben zwei Autos in der Garage, eine Kuckucksuhr an der Wand. Doch die massiven Vorurteile der Nachbarn gegenüber nicht mehr ganz lebendigen Mitgliedern der Gesellschaft sind so undurchdringlich wie die nachtschattene Finsternis, die über dem Haus der Munsters auch dann schwebt, wenn überall sonst die Sonne scheint.

Tatsächlich zählt The Munsters zu den Serien über die man lieber schreibt, als daß man sie anschaut. „Bodenlos schlecht“ meint Stephen King in seinem 500 Seiten starken Ziegelstein Danse Macabre. Das ist etwas übertrieben, denn der eine oder andere Gag kommt doch rüber. Etwa wenn irrtümlich das Haus der Munsters abgerissen werden soll und Herman die ein Meter fünfzig durchmessende Kopfschmerzkugel wie einen Wattebausch hält, wobei er in bestem Oxford-Englisch die darob nicht erbauten Bauarbeiter in einen Diskurs über Sinn und Zweck des ihnen Aufgetragenen zu verwickeln trachtet. Man muß sich eben darauf einlassen. Ein bißchen guten Willen muß man beim Fernsehen schon mitbringen. Besser als das RTLplus- Remake aus den 80ern ist das Original (USA 1964-66) allemal.

Über die Synchronisierung von Heinz Freitag, der u.a. Yes Minister verdeutschte, kann ich neben den generellen Vorbehalten leider nichts sagen, da bei den mir zugekommenen Videobändern die deutsche und die amerikanische Tonspur direkt übereinander zu hören sind (two in one). Der Effekt auf den Zuhörer ist mit folgendem Tierversuch nur ungenügend beschrieben: Man begebe sich vor eine Katze und bewege vor deren Augen den erhobenen Zeigefinger langsam von links nach rechts. Eine richtige Katze wird den Finger nicht aus den Augen lassen, was daran zu erkennen ist, daß ihre Kopfbewegung dem Finger folgt. Nimmt man nun zwei nebeneinander gehaltene Zeigefinger, die man ohne Vorwarnung ruckartig parallel nach links und rechts aus dem Gesichtsfeld bewegt, so sieht man den Kopf des in Entscheidungsnot geratenen Haustieres förmlich zerspringen. Stunden später noch kann man die traumatisierte Katze bei ihren hoffnungslosen Versuchen beobachten, in zwei Richtungen gleichzeitig zu blicken (nicht zur Nachahmung empfohlen). Wenn dann noch — um auf die Munsters zurückzukommen — periodisch die Laugh-Tracks dazwischenhauen, sehnt man sich nach der Zwölftonmusik zurück. Manfred Riepe