Aserbaidschan

■ betr.: "Aserbaidschans Opposition feiert Sieg", taz vom 18.5.92

betr.: „Aserbaidschans Opposition feiert Sieg“ von Ömer Erzeren, taz vom 18.5.92

Es scheint ganz so, als sei nun Ömer Erzerens ohnenhin nie unbefangener Blick auf das Geschehen in Aserbaidschan und, damit in Zusammenhang auch auf den Konflikt um Karabach, endgültig eingenebelt. Mag sein, daß dies durch die Begeisterung über den Umsturz Mutalibows durch die ach so demokratische Oppositionsbewegung in Baku bewirkt wurde. Dennoch sollte wohl spätestens seit der unrühmlichen Herrschft Swiad Gamsachurdias im Nachbarland Georgien jedem klar sein, daß im ehemaligen Sowjetreich auch frühere Dissidenten oft recht seltsame Vorstellungen von einem demokratischen System haben. Zumindest mit der Achtung der Menschen- und Minderheitenrechte haben die neuen Machthaber in Baku sicher noch weniger am Hut als das alte, aus Sowjetzeiten überkommene Regime. Dies dürfte wohl auch dazu beigetragen haben, daß jetzt nicht nur die Armenier in Karabach, sondern zu ihrer Unterstützung auch die kurdische Minderheit in den Bezirken um die umkämpfte Stadt Latschin zum Befreiungsschlag ausgeholt haben.

Noch widersprüchlicher aber erscheinen Ömer Erzerens Artikel durch die Tatsache, daß er sich zwar immer wieder, ganz im Einklang mit der aserbaidschanischen Haltung, gegen jegliche Einflußnahme von außen, etwa der GUS-Streitkräfte, Rußlands, der USA oder des Irans ausspricht, jedoch anscheinend den Einfluß des Staates, der unbestritten die größte Kontrolle auf Aserbaidschan ausübt, nämlich der Türkei, als selbstverständlich und nicht zu beanstandend hinnimmt. Gerade diese Haltung, die offensichtlich auch bei einigen westlichen Partnern der Türkei verbreitet ist, ermuntert nun auch bisher noch gemäßigt agierende Persönlichkeiten, wie Ministerpräsident Demirel, dazu, eine militärische Intervention zugunsten Aserbaidschans anzudrohen. Welchen Flächenbrand sie damit in dieser strategisch so sensiblen Region auslösen würden, scheint diesen Kräften ebensowenig klar zu sein wie Ömer Erzeren. Aber vielleicht müßte man dazu die Sachlage ja auch einmal von einer anderen als der türkischen bzw. der aserbaidschanischen Seite aus betrachten. Die Probleme und Beweggründe der armenischen Seite sind in der taz bisher fast völlig untergegangen. Dem Verständnis der komplizierten Lage in der Region dient diese Art der Berichterstattung sicher nicht. Elvira Kiendl, Gesellschaft für bedrohte Völker, Koord.- Gruppe Armenien, Regensburg