Endspurt bei Vorwahlen in den USA

Vorwahlen in Kalifornien/ Geringe Beteiligung erwartet/ Entscheidung über zwei Senatssitze  ■ Aus Los Angeles Andrea Böhm

Sie sind von den letzten Monaten gezeichnet: Bill Clinton ist im Gesicht und um die Hüften merklich in die Breite gegangen; Jerry Browns Stimmbänder sind von Hunderten Wahlkampfreden hörbar strapaziert— und George Bush scheint in Gedanken immer häufiger in Kennebunkport zu sein. Wenn sie heute in Kalifornien und fünf weiteren Bundesstaaten zum Schlußspurt der Vorwahlen ansetzen, haben sie zwar ihr Ziel erreicht: Bush hat die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Republikaner bereits sicher, und um seinen Rivalen Pat Buchanan ist es still geworden. Bill Clinton fehlen noch 95 Delegierte, die er heute ganz sicher zusammenbekommen wird; und Demokrat Jerry Brown hat mit seiner Anti-Establishment-Kampagne Clinton immer wieder empfindliche und peinliche Niederlagen zugefügt, was ihm heute in seinem Heimatstaat Kalifornien noch einmal gelingen kann.

Im bevölkerungsreichsten Bundesstaat bei den Vorwahlen gut abzuschneiden kann für den Ausgang der Präsidentschaftswahlen mitentscheidend sein. Und doch wird man sich in den Wahlkampfteams fragen, ob sich der Kraftakt in Kalifornien lohnen wird. Glaubt man Umfragen, werden weniger als die Hälfte der registrierten Wähler den Gang in die Wahlkabinen antreten. Frustration und Angst angesichts des ökonomischen Niedergangs des „Golden State“ sowie der Revolte in Los Angeles mobilisiert die Kalifornier offensichtlich nicht, von ihrem Wahlrecht verstärkt Gebrauch zu machen.

Das sagt noch nichts über die Beteiligung bei den Präsidentschaftswahlen im November aus, wenn aller Voraussicht nach ein dritter Name zur Auswahl stehen wird: Ross Perot. Der Texaner, dessen einziger Makel nach eigenem Bekunden ist, daß „ich ein bißchen besser aussehen könnte“, überschattet mittlerweile die Kampagnen von Bush und Clinton: In Washington wird darüber spekuliert, daß Bush demnächst seinen Stabschef im Weißen Haus, Samuel Skinner, entlassen wird, der in der Kampagne zur Wiederwahl des Präsidenten bislang keine glückliche Hand hatte. Clinton wiederum mußte sich am Samstag von Perot düpieren lassen: Während der Demokrat durch Kalifornien hetzte, ließ sich Perot vor laufenden Kameras von über 4.000 Leuten mit dem Country- Sänger Willie Nelson in Clintons Heimatstaat Arkansas feiern.

Das „Perot-Fieber“ läßt fast in Vergessenheit geraten, daß bei den „Primaries“ der Demokraten und Republikaner nicht nur die Spitzenkandidaten um die Präsidentschaft zur Wahl anstehen. Es geht auch um die Bewerber um den Posten des Generalstaatsanwalts, mehrere lokale Ämter — und statt eines dieses Jahr sogar um zwei Sitze im Senat, nachdem der Republikaner Pete Wilson während seiner Amtszeit im Kongreß auf den Stuhl des Gouverneurs von Kalifornien gewechselt ist. Dabei könnten Kaliforniens Demokraten im November erstmals zwei Frauen ins Rennen schicken: Dianne Feinstein, Ex-Bürgermeisterin von San Francisco, und Barbara Boxer, Abgeordnete im Repräsentantenhaus. Doch der Wahlkampf sämtlicher Kandidaten war bisher nicht dazu angetan, den Unmut kalifornischer Bürger über ihre Politiker zu mildern. Die Kampagnen beschränken sich auf die Berieselung durch Fernsehspots, in der die Gegner entweder politisch oder persönlich beschimpft werden. Auf Sachfragen beschränken sich nur zwei: Dianne Feinstein und Barbara Boxer.