INTERVIEW
: Das Theatertreffen als Arbeitsgipfel?

■ Im Schatten der großen Theaterereignisse trafen sich junge Bühnenangehörige aus aller Welt — Das »Internationale Forum junger Bühnenangehöriger«

Fast im Verborgenen findet eines der regsten Teile des Theatertreffens statt: Seit 24 Jahren schafft Dr. Manfred Linke von der Berliner Festspielleitung ganz unspektakulär die Voraussetzungen, jungen Bühnenangehörigen aus aller Herren Länder einen regen Austausch zu ermöglichen.

taz: Ganz groß kam das »Internationale Forum junger Bühnenangehöriger« eigentlich nur ins Gespräch, als es im Zuge von Sparmaßnahmen weggekürzt werden sollte. Das war 1989. Prominente wie Peter Stein äußerten damals, daß das Theatertreffen doch gerade durch das Forum einen Sinn bekäme?

Linke: Ja, unter anderem hat die taz damals geholfen, das öffentlich zu machen. Wenn das Haus hier (Berliner Festspielleitung, R.B.) von Sparmaßnahmen bedroht war, hat man sich immer schnell des Forums besonnen und hat gesagt: Das können wir nun nicht mehr finanzieren. Bisher habe ich es aber immer wieder geschafft, die Sache rückgängig zu machen. Was nicht einfach war.

Heute ist es so, daß nur die Hälfte der Gelder von den Festspielen kommt. Der Rest wird von den Kultusministerien der Bundesländer aufgebracht, die für ihre Landeskinder ein Stipendium ausschreiben; für die ausländischen Stipendiaten ist das Goethe-Institut zuständig.

Wie setzen sich denn die Teilnehmer zusammen? Ist der Zuspruch aus den neuen Bundesländern rege?

Ab 1970 waren es ungefähr 35 Teilnehmer, jetzt sind es meist um die 50. Voraussetzung für die Bewerbung ist, daß die Teilnehmer an einem deutschen Theater engagiert sind. Im letzten Jahr gab es nur insgesamt zwei Bewerber aus den neuen Bundesländern, von denen einer auch noch ein Wessi war, der in Anklam arbeitete.

Dieses Jahr sieht das ganz anders aus. Ich hab' inzwischen das Gefühl, mit Gewalt offene Türen eingerannt zu haben. Aus dem Ostteil des Landes hatten wir neun Bewerbungen, sieben davon sind jetzt da, allein fünf aus Brandenburg.

Dieses Jahr sind 17 Länder dabei. Etwas mehr als die Hälfte sind Deutsche. Das Spektrum reicht von Brasilien bis Kroatien, Norwegen bis Israel. Wir haben auch den 32 Jahre alten Leiter des deutschen Theaters in Kasachstan zu Gast.

Wonach suchen Sie die Teilnehmer aus?

Die Jugend endet bei uns mit 35. Wir bevorzugen Mitglieder mittlerer und kleinerer Theater, aus dem Bewußtsein heraus, daß die es immer schwieriger haben, aus der Tretmühle herauszukommen, als an großen Bühnen.

Neben den Gesprächen mit den Machern der zum Theatertreffen eingeladenen Produktionen gibt es noch eine Reihe von Workshops.

Als ich das hier übernahm, war es ein Debattierklub von Regisseuren und Dramaturgen. Wenn da mal Schauspieler auftauchten, dann saßen sie wie Mäuse in der Ecke und trauten sich nicht, den Mund aufzumachen, während ihre Kollegen das große Wort führten. Theater wird aber nunmal in erster Linie von Schauspielern gemacht. Und die will ich hier haben. Ganz allmählich hab' ich das Programm von den bloßen Aufführungsgesprächen weggeführt. Mit den Workshops sollen möglichst immer unterschiedliche Alternativen angeboten werden. Bewegungsarbeit ebenso wie die Arbeit mit einem Dramatiker (dieses Jahr war das der junge Intendant der Jugendtheaters der Freundschaft in Berlin, Manuel Schöbel, R.B.).

Teilen Sie den Eindruck, daß auch unter den jungen Bühnenangehörigen eine große und müde Passivität herrscht?

Ja und Nein. Wobei das Nein überwiegt. Theater findet nicht außerhalb der Gesellschaft statt. Man darf nicht erwarten, daß, wo alles sich im nivellierenden Fluß befindet, das Theater etwas grundsätzlich anderes macht. Tatsächlich aber geht man heute moderater miteinander um als etwa 1968. Damals war die wilde Zeit. Ich erinnere mich, daß es im Forum große Auseinandersetzungen gab, weil die Teilnehmer das, was auf den Bühnen lief, für etablierte Scheiße hielten. Darauf muß man sich natürlich einlassen. 1969 übernahm ich die Leitung von Joachim-Werner Preuß (heute Galerie des Theaters, R.B.). Mir war klar, daß ich das Programm nicht an den jungen Leuten vorbei machen durfte. Das ging dann so gut, daß sich der deutsche Bühnenverein ganz zurückziehen wollte, weil sie meinten, der Linke betreibe hier ein linke Kaderschmiede. Was überhaupt nicht der Fall war.

Gerade auch für die öffentlichen Gespräche im Spiegelzelt scheint die Zeit, da die Jungen gegen die Alten rebellieren, vorbei zu sein. Dort werden nur noch die üblichen Mängelfeiern abgehalten.

Wenn bei uns im geschlossenen Rahmen Kollegen mit Kollegen reden, finden natürlich ganz andere Sachen statt. Ich empfinde sowieso diese Zuschauerdiskussionen als Anachronismus, und man sollte vielleicht mal ein paar Jahre damit aussetzen. Es ist so ein prekäres Pflichtprogramm geworden. Keiner Seite wird man damit gerecht. Unmittelbar nach einer Aufführung kotzen die Leute eben nur ihre Meinungen, die sie gerade so im Bauch haben, aus.

Daß dagegen das Forum so gut weiterläuft, liegt auch daran, daß wir nie auf dem sitzengeblieben sind, was mal war. Es hat sich immer weiterentwickelt. Ich höre immer sehr genau auf das, was meine Teilnehmer sagen. Stillstand ist tot.

Mit Dr. Manfred Linke sprach Reimar Brahms.