Hinter der verschlossenen Eisentür

■ Freundlicher Applaus für »Der öffentliche Ankläger« von Fritz Hochwälder im Steglitzer Schloßpark-Theater

Die Bühne ist in eine Kanzlei verwandelt. Hohe Aktenschränke, dicht aneinander gestellt, so daß nur schmale Durchgänge bleiben. Ein Bildschirm, über den man das Geschehen außerhalb des Raumes verfolgen kann, ein Schreibtisch, ausgestattet mit diversen High-Tech-Spielereien. Alles grau in grau, zu Beginn in diffuses Licht getaucht. Eine ungeheure Kälte und Bedrohlichkeit geht von diesem Raum aus. Besucher gelangen hierher nur durch eine Eisentür, die durch Knopfdruck geöffnet und geschlossen wird. Sie bewegt sich nach oben und hat das Aussehen einer übergroßen Guillotine. Wenn sie nach unten kracht, klingt sie auch so.

An diesem Ort herrscht scheinbar unbeschränkt Fouquier-Tinville, oberster Staatsanwalt und öffentlicher Ankläger der Französischen Republik. Bis zu diesem Zeitpunkt, wir schreiben das Jahr 1794, hat er die Schreckensherrschaft nach der Revolution unbeschadet überstanden. Als perfekter Staatsdiener hat er mitgeholfen, unliebsame Gegner aufs Schafott zu bringen. Die jeweiligen Veränderungen geschickt für sich nutzend, ist es ihm gelungen, seinen Kopf zu retten und sich unentbehrlich zu machen. Erzählt wird die Geschichte eines Tages aus dem Leben Fouquier-Tinvilles, der wie ein ganz gewöhnlicher beginnt. Ein besonderer Auftrag, der das ganze Fingerspitzengefühl dieses Mannes erfordert, durchbricht die Gleichförmigkeit und gibt den Auftakt zu einer spannenden Fabel.

Der österreichische Schriftsteller Fritz Hochwälder, geboren 1911, hat die Handlung der »Teufelskomödie«, wie er sie selbst nannte, frei erfunden, sich aber genau an historische Quellen gehalten. 1948 geschrieben, setzte er sich darin mit dem Nationalsozialismus auseinander. Zweifellos hat das Stück aber aktuelle, übergreifende Bezüge. Es beleuchtet das Verhältnis von Einzelwesen und Staatsmaschinerie. In dichter Szenenfolge agieren die Figuren wie Rädchen in einem Uhrwerk: sie bewegen das Getriebe, und das Getriebe bewegt sie.

Die Inszenierung im Schloßpark- Theater (Regie: Günther Gerstner) hat dem Stück augenscheinlich nicht hundertprozentig vertraut. Der Text wurde mit unterschiedlichen Wirkungen verändert. Mal wird die Handlung dadurch überfrachtet, mal entsteht aber auch eine Komik, die dem Ganzen eine gewisse Leichtigkeit verleiht. Die Schauspieler versuchen, der rasant ablaufenden Geschichte durch Tempo gerecht zu werden. Partnerbeziehungen bleiben da stellenweise auf der Strecke; statt dessen endet das Spiel oft vorn an der Rampe in ausgestellten Posen.

Eine Ausnahme: Ulrich Noethen in der Hauptrolle. Er spielt einen aalglatten Biedermann, der sich gleichermaßen geschmeidig zwischen seinen Aktenbergen und den Kontrahenten dieses Politspektakels bewegt. Bedauerlicherweise ist seine Gegenspielerin Theresia Tallien, gespielt von Suzanne von Borsody, eine glatte Fehlbesetzung. Das ist besonders schade, denn die Figur der Theresia als Drahtzieherin der Handlung birgt eine Schlüsselrolle in den Verstrickungen dieses Spiels. Die Figur verlangt nach einer Schauspielerin, die mehr zeigen kann als schöne Kleider, ein aufgesetztes Lächeln und manirierte Posen. Akzente, Dialekte und auffällige Kostüme ersetzen zu oft auch bei den kleineren Rollen wirkliche Tiefe und Widersprüchlichkeit der Figuren. Angenehm fällt hier Wolfgang Prengler in der Rolle des Sekretärs heraus.

Erwähnenswert ist die Musik, sowohl der Polizistensong, der den Abend eröffnet, als auch die kurzen Einspielungen während der Bühnenhandlung. Wem das zu verdanken ist, geht aus dem Programmheft leider nicht hervor. Der öffentliche Ankläger ist ein Theaterabend, der keine spektakulären Aufregungen bereithält, aber durchaus anzusehen ist. Das Publikum honorierte ihn zur zweiten Vorstellung mit freundlichem Applaus. Sibylle Burkert

Weitere Vorstellungen: heute, 8., 11., 15.6., jeweils 20 Uhr