Brötchenbackende Zuhälter

■ Internationaler Hurentag: Prostituierte fordern normale Arbeitsbedingungen und gesellschaftliche Anerkennung ihres Berufes

Berlin. Die Welt kann einen neuen Gedenktag in ihren Annalen verzeichnen: der 2. Juni ist fortan nicht mehr nur Todestag von Benno Ohnesorg und damit Namengeber für eine Bewegung, die noch jahrelang für Schlagzeilen sorgen sollte. Auch die Frauen von »Nutten und Nüttchen« (N.u.N.) sowie »Lulu O.«, dem neugegründeten Schwesterverein aus dem Osten, reklamieren das Datum für sich als den Gründungstag der internationalen Hurenbewegung. Das kam so: Am 2. Juni 1975 wurde in Lyon das Saint-Elysee von Prostituierten besetzt, um auf den rechtlosen Status ihres Berufsstandes aufmerksam zu machen. Auslöser waren Morde an Kolleginnen. »Anstatt die Täter zu suchen, verstärkte die Polizei die Kontrollen unter den Nutten selbst. Es hagelte Festnahmen und Bußgeldbescheide«, berichtet Maxi von den französischen Vorkämpferinnen. Die Besetzung stellte so einige der Meinungen über das älteste Gewerbe völlig auf den Kopf. So erfuhr die Welt, daß die »Dienerinnen der Lust« sich nicht als Opfer verstehen. Sie praktizieren diesen Beruf aus freien Stücken und fordern nur normale Arbeitsbedingungen. »Raus aus dem Strafrecht, raus aus der Kartei, rein in die Versicherung«, lauten grob gesagt die Forderungen der Frauen, die zwar brav ihre Steuern berappen dürfen, aber kein Anrecht auf gesetzliche Krankenversicherung haben.

»Natürlich gibt es unter Frauen, die der Prostitution nachgehen, sogenannte tragische Fälle. Aber die gibt es genauso in der Bäckerei«, sagt Laura. Sie hat eine nackte Frau mit Efeublättern an entscheidenden Stellen auf ihrer Plastikschürze. Darunter trägt sie überdimensionale Plastikbrüste auf nacktem Oberkörper. Maxi und Lulu wirken vergleichsweise geradezu bürgerlich. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen sind die Frauen stolz auf ihren Beruf. »Sextechnikerin« wäre die angemessene Bezeichnung, denn »prostituieren tut sich auch, wer hinter dem Fließband steht.« N.u.N. will Aufklärung. Der Prostitution soll der Status von Anstößigkeit und Außenseitertum genommen werden. Dabei geht es vor allem um die doppelbödige moralische Bewertung des Gewerbes in der Öffentlichkeit.Da die Damen sich nicht nur von Berufs wegen der Lust verschrieben haben, bewerkstelligen sie ihr Anliegen mit witzigen kabarettistischen Einlagen.

»Immer sollen die Huren aussteigen. Nie fragt einer nach den Männern.« Maxi meint nicht etwa die Freier, sondern die Zuhälter. Die mit christlichem Eifer geführte Diskussion um Ausstiegschancen für Huren hat absurde Züge. Es wird ein Flugblatt verteilt, das diskriminierten Luden einen Umstieg in den Bäckerberuf ermöglichen soll — »es gibt auch im soliden Leben Arbeiten, die es euch gestatten, den gewohnten Rhythmus des nächtlichen Arbeitens beizubehalten.« Jantje Hannover