Law and order oder Recht auf Rausch?

Die Europaparlamentarier streiten über die Legalisierungsempfehlung ihres Drogenausschusses  ■ Aus Brüssel Michael Bullard

Ob sie ihren WählerInnen ein „Recht auf Rausch“ zugestehen sollen, über diese Frage sind die Euro-ParlamentarierInnen zutiefst zerstritten. Nicht der Rausch aus der Flasche entzweit die Volksvertreter allerdings — dazu gibt es in dem Hohen Hause einfach zu viele Bars. Umstritten ist vielmehr die Empfehlung einer Mehrheit des Drogenausschusses, daß der Besitz verbotener Drogen in kleinen Mengen für den persönlichen Gebrauch nicht als Straftat angesehen werden soll. Als Vorbild gelten die Niederlande, aber auch die Schweiz, wo jetzt die begrenzte Legalisierung von Heroin ausprobiert wird. Desgleichen diskutiert wird neuerdings auch wieder in der Bundesrepublik, seit das Lübecker Landgericht das staatliche Drogenverbot für verfassungswidrig befunden hat. Von solchen Argumenten läßt sich der zuständige Berichterstatter des Europäischen Parlaments allerdings nicht beeindrucken. Patrick Cooney von der Europäischen Volkspartei bedauert vielmehr die Empfehlung der Mehrheit seines Ausschusses. So könne „der wachsende Rauschgiftmißbrauch vor allem unter Jugendlichen nicht bekämpft werden“. Er fordert dagegen, die Herstellung, Verteilung und den Verbrauch von Rauschgift unabhängig von Menge, Qualität und Art immer als illegal anzusehen. Und er weiß sich darin einig mit den meisten seiner konservativen und sozialistischen KollegenInnen, die im Europa-Parlament den Ton angeben.

Weil der „ungebremst wachsende Rauschgiftmißbrauch und die davon ausgehenden Gefahren für die Gesundheit“ Anlaß zu Sorge geben, forderten sie Mitte Mai die EG-Mitgliedstaaten auf, intensiver als bisher bei der Drogenbekämpfung zusammenzuarbeiten. Die zwölf Regierungen müßten schneller als bisher geplant „eine gemeinsame Behörde zur Bekämpfung des Rauschgiftunwesens schaffen, um die Zusammenarbeit von Zoll und Polizei zu verbessern“. Der Kampf, so der irische Abgeordnete, habe noch gar nicht richtig begonnen. Ermutigend seien allenfalls die beschlossene Einrichtung eines „Drogenkontrollzentrums“ und die Aufstellung einer Polizeieinheit im Zusammenhang mit Europol. Dies sei jedoch nicht ausreichend. Denn wenn Ende des Jahres die Kontrollen an den Binnengrenzen wegfielen, werde die Drogenkriminalität weiter wachsen.

In seinem Bericht weist Cooney darauf hin, daß alle bisherigen Anstrengungen, den Rauschgiftkonsum einzuschränken, vergeblich gewesen seien. Stattdessen nehme die Zahl der Süchtigen ebenso zu wie die der Toten. Auch das „Waschen“ der Drogeneinnahmen sei bisher nicht unterbunden worden. Dies, so Cooneys Empfehlung, ließe sich letztendlich nur durchsetzen, wenn die Nachfrage nach Rauschgift drastisch verringert würde. Wie dies erreicht werden soll, darauf hat der Abgeordnete eine ebenso simple wie herkömmliche Antwort — durch Strafe und Aufklärung. Eine „ausdauernde und umfassende Kampagne zur Aufklärung über die Suchtgefahren in Schulen“ tue Not. Außerdem müßten die einschlägigen Strafrechtsbestimmungen harmonisiert, stichprobenartige Überprüfungen des grenzüberschreitenden Verkehrs auch nach dem Wegfall der Binnengrenzen durchgeführt und die Außengrenzen stärker überwacht werden.