GASTKOMMENTAR: Augstein jagt Oskar
■ Der 'Spiegel‘, Lafontaine und die Ausgleichszahlungen
Da behaupte noch einer, Stierkampf sei hierzulande geächtet. Jeden Montag — für die feineren Tiere schon jeden Sonntag — eröffnet der 'Spiegel‘ eine neue Arena. Brot und Spiele in untergehenden Hochkulturen. Verfeinerte Lustbarkeiten. Am Ende werden die kleinen Könige selbst als Gehörnte in den Ring getrieben. Die Ränge dampfen: Olé, Canaille!
Diesmal nun also Oskar. Oskar, der wie kein zweiter das Seelenleben der Republik beschäftigte — gehaßt, geliebt, gejagt, gehätschelt. Stolz annonciert wie das Saison-Ereignis im blutroten Rahmen des Spiegel-Titels zum ersten, zum zweiten und dritten Mal. Was will der 'Spiegel‘ uns damit sagen? Eine schlampig recherchierte erste Titelgeschichte über CDU-Begebenheiten aus dem Jahre 72 läßt den interessierten Leser frustriert und kenntnislos zurück. Die Botschaft in der Botschaft ist das Interessante: Augstein jagt Oskar.
Warum wohl? Etwa wegen eines Übergangsgeldes, das der durchschnittliche 'Spiegel‘-Redakteur nach kurzer erfolgloser Tätigkeit als Abfindung kriegen dürfte? Etwa wegen der Moral? Etwa wegen Volkes Stimme? Etwa aus Rache darüber, daß das Zentralorgan der deutschen Wiedervereinigung sich doch um die Winzigkeit von Hunderten von Milliarden verschätzt hatte, im Jahre seines größten populistischen Ruhms?
Des Rätsels Lösung heißt: Das Rätsel hat gar keine Lösung. Es war nichts als ein Griff in die journalistische Lostrommel. So wie der 'Spiegel‘ einen Titel hätte machen können mit dem Slogan: Und Oskar hatte doch recht, so macht er jetzt eben einen mit der Parole: Oskar ist dick und doof — Zur Hölle mit ihm. Es heißt nichts. Es ist just for fun. Kleine Ursache — große Wirkung. Wenn man Politiker auf Dauer behandelt wie Rassetiere, wird man sie auch demnächst wie Champions bezahlen müssen, wie Fußball- oder Tennisstars. Die Qualität wird dadurch bestimmt nicht besser, billiger wird es auch auf keinen Fall. Aber es kribbelt so schön im Bauch beim Zusehen. Antje Vollmer
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