Der Patient, das schröpfbare Wesen

■ Seehofers Gesundheitsreform wird es bei den Anbietern schwerer haben

Der Patient, das schröpfbare Wesen Seehofers Gesundheitsreform wird es bei den Anbietern schwerer haben

Wer sich in ein Krankenhausbett legt oder eine Brille haben will — der soll dafür auch ordentlich zahlen. So glaubt Gesundheitsminister Seehofer den explodierenden Kosten im Gesundheitswesen beizukommen. Dahinter steht die Annahme, daß eine höhere finanzielle Selbstbeteiligung der Patienten zu geringerer Nachfrage führt: eine Fehlannahme, wie schon der Reformversuch von Arbeitsminister Blüm gezeigt hat.

Denn obwohl die Patienten seither für Gebisse und Medikamente zuzahlen müssen, ist der Bedarf in den letzten Jahren weiter gestiegen. Kranke sind nicht freie Käufer auf einem freien Markt, die sich für oder gegen ihr Medikament entscheiden können wie für ein neues Sofa — sie sind auf die Leistungen angewiesen, egal, zu welchem Preis. Deshalb wird Seehofer die in diesem Bereich anvisierten drei Milliarden Mark auch tatsächlich einfahren können.

Während die Versicherten seit Blüms Reform jährlich sieben Milliarden Mark zusätzlich zur Krankenversicherung gezahlt haben, klingelten bei der Ärzteschaft, der Pharmaindustrie und den Geräteherstellern die Kassen stärker als zuvor. Das war von Blüm zwar durchaus nicht so geplant; aber die Pillenhersteller widersetzten sich nicht nur erfolgreich einer schnellen Festpreisregelung, sondern schlugen ihre Einbußen auf diesem Gebiet bei den anderen Medikamenten prompt wieder drauf. Auf Seminaren empfahlen sie den Ärzten, künftig die größere Packung zu verschreiben.

Seehofer, durch seine jahrelange Arbeit im Blüm-Ministerium mit den Problemen wohl vertraut, will Medikamentenpreise und Arzthonorare einfrieren und so acht Milliarden sparen. Das Geschrei ist absehbar, aber auch diesmal steht zu befürchten, daß die Pharmafirmen Schlupflöcher finden. Schon gegenwärtig überschwemmen sie das Bundesgesundheitsministerium mit — angeblich — neuen Produkten, die dann jeweils preislich neu bewertet werden können.

Ein positiver Ansatz ist in Seehofers Vorschlag zu erkennen: das Abrechnungssystem der Krankenhäuser soll reformiert werden. Bisher wird ein Krankenhaustag nicht nach den Leistungen für den einzelnen Patienten abgerechnet, sondern nach den insgesamt angefallenen Kosten. Das Krankenhaus, das teure, überflüssige Untersuchungen anstellt, wird im nächsten Jahr durch eine höhere Kostenpauschale belohnt: eine Einladung zur Verschwendung. Seehofer will nicht nur Preise für bestimmte Leistungen aushandeln, sondern den Krankenhäusern auch die Anschaffung von teuren Geräten übertragen; denn während sich die Länder bisher nie über die Folgekosten ihrer Anschaffungen Gedanken machten, werden die Krankenhäuser jetzt genauer rechnen. Annette Jensen