Ein »großer Schluck aus der Pulle«

■ Bausenator Nagel (SPD) gegen die geplante Mieterhöhung in den neuen Bundesländern

Berlin. Das kürzlich bekanntgewordene Konzept der Bundesregierung zur Mieterhöhung im Ostteil Berlins und den neuen Ländern um 2,50 bis 2,80 Mark pro Quadratmeter ist nach Ansicht von Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) so nicht akzeptabel. Mieterhöhungen müßten laut Einigungsvertrag auch die Einkommensentwicklung berücksichtigen, erklärte Nagel gestern. Berlin habe deshalb diesen Plänen bereits bei einem Gespräch am 1. Juni dieses Jahres im Bundesbauministerium widersprochen. Die Bundesregierung wolle offenbar jetzt »einen besonders großen Schluck aus der Pulle nehmen, weil sie offensichtlich glaubt, wegen der Wahlen im Jahr 1994 erst wieder 1995 eine nächste Mieterhöhung durchführen zu können«, sagte Nagel.

Nagel bestätigte, daß die Bundesregierung eine Neufestsetzung der Mieten zum 1. Januar 1993 plane und dies noch vor der Sommerpause zusammen mit den Ländern beschließen wolle. Es gebe jedoch noch keine Festlegung zur Höhe der Mieten, sondern lediglich einen Vorschlag der Bundesregierung. Danach soll die Grundmiete generell um einen Sockelbetrag zwischen 0,70 und 1,30 Mark pro Quadratmeter steigen, wobei sich die Grundmietenerhöhung nach der Größe der Stadt richten soll. Dazu soll ein sogenannter Beschaffenheitszuschlag und ein Zuschlag bei der Neuvermietung von Wohnraum kommen. Der Beschaffenheitszuschlag soll sich am baulichen Zustand der Wohnung orientiere. Dabei würden Dach, Fassade, Innenräume, Treppenhäuser und Installationsnetz als Merkmale für die Beurteilung herangezogen. Gebe es keine Mängel, dürfe der Vermieter je Merkmal 30 Pfennig pro Quadratmeter Beschaffenheitszuschlag erheben, insgesamt also bis zu 1,50 Mark pro Quadratmeter. Die Mieten in Ostdeutschland steigen vom 1. Januar 1993 an also insgesamt um bis zu 2,80 Mark pro Quadratmeter.

Nach Angaben von Nagel hat die Bundesregierung bei dem Gespräch am 1. Juni dargelegt, daß die Einkommen im Jahr 1992 um durchschnittlich 20 Prozent steigen würden. Es müsse nun bewertet werden, so der SPD-Politiker, ob die beabsichtigten Mieterhöhungen die Einkommensentwicklung angemessen berücksichtigen. In dem Gespräch hätten einige der neuen Länder und auch Berlin die geplante Mieterhöhung als zu hoch bezeichnet und die Bundesregierung aufgefordert, einen niedrigeren Vorschlag zu machen. Zudem forderten alle Länder die Verlängerung und Verbesserung des Wohngeldgesetzes. esch/adn