Was tun schwule Politiker mit dem Standesamt?

■ Diskussion im Café Rosa über lesbische und schwule Kommunalpolitik/ Zwischen schwulen Politikern und schwulen Interessenvertretern liegen Welten/ Keine Lesben aus den BVVs eingeladen/ Schwulenpolitik keine Domäne der Linken

Berlin. Was macht ein schwuler Kommunalpolitiker, der in der BVV einem Antrag zur Sanierung des Standesamtes zustimmen soll? Ist er doch gegen die Ehe und findet, daß die einzig richtige Forderung nur lauten kann, das Standesamt einzureißen. Micha Schulze, Moderator einer Diskussionsrunde mit lesbischen und schwulen KommunalpolitikerInnen im Café Rosa, schilderte seine »Gewissenskonflikte« aus seiner Zeit als Verordneter in der Charlottenburger Bezirksversammlung.

Die Wahlen zu den Bezirksparlamenten haben den schwulen und lesbischen KommunalpolitikerInnen Zuwachs beschert. Von zwanzig offen lesbischen oder schwulen KandidatInnen aus SPD, CDU, Bündnis 90/Grüne, UFV und PDS schafften zehn den Sprung ins Parlament — das sind drei mehr als in der vergangenen Legislaturperiode. Was können sie auf kommunalpolitischer Ebene überhaupt für Lesben und Schwule erreichen? »Wir können die gesetzliche Lage nicht verändern, aber wir können dazu beitragen, daß die Verwaltung sensibilisiert wird«, führt die Charlottenburger Bezirksbürgermeisterin Monika Wissel (SPD) ins Feld. Sie kann auf eine ganze Reihe kleiner, aber nicht unerheblicher Erfolge verweisen. Der Bezirk rief im Herbst 1990 einen lesben- und schwulenpolitischen Ratschlag ins Leben, aus dem ein fester Arbeitskreis hervorging. MitarbeiterInnen der Verwaltung sind dort ebenso vertreten wie KommunalpolitikerInnen und MitarbeiterInnen lesbischer und schwuler Projekte. »Im Rathaus fand eine Ausstellung über die Gay Games in Vancouver statt. Damit haben wir ein Signal gesetzt, daß das Rathaus dafür der richtige Ort ist«, so Wissel.

Das Thema Homosexualität wurde erstmalig bei der Ausbildung von MitarbeiterInnen in der Bezirksverwaltung angesprochen. Im hausinternen Informationsblatt erschien ein Artikel über die Arbeitsplatzsituation lesbischer und schwuler KollegInnen. Die engagierte Bürgermeisterin möchte auch erreichen, daß lesbische und schwule Paare im Krankenhaus die gleichen Rechte bekommen wie Hetero-Pärchen, egal, ob es um Besuchsmöglichkeiten oder medizinische Entscheidungen geht. Das Charlottenburger Beispiel macht Schule; auch in Prenzlauer Berg hat sich eine ähnliche Arbeitsgruppe zusammengefunden.

Lesben- und Schwulenpolitik ist längst nicht mehr eine Domäne der Linken. Daß in der letzten Friedrichshainer BVV gleich drei offen schwule CDU-Politiker saßen, brachte so manches Weltbild durcheinander. Und auch die FDP wartete diesmal in Kreuzberg mit drei schwulen Kandidaten auf. »Das ist mir selbst erst 36 Stunden später aufgefallen, daß wir eine überwiegend schwule Liste aufgestellt hatten«, sagt Spitzenkandidat Andreas Spector. »Wir sind nicht auf der Liste, weil wir Schwule sind, sondern weil das eine Eigenschaft ist, wie verheiratet sein und einen Hund zu haben, der Dr. Martin-Luther heißt.« Spector sieht sich in erster Linie als Experte für Verkehrs- und Stadtplanung. »Ich bin für alle Wähler da, die mich gewählt haben.« Nicht nur an diesem Punkt wurde deutlich, daß sich Welten auftun zwischen den liberalen und alternativ-bürgerbewegten Schwulen.

»Ich habe einen ganz anderen Anspruch«, konterte Christian Pulz, schwulenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Grüne. »Ich will im Abgeordnetenhaus schwule Interessen vertreten.« Dissenz gab es auch über die Existenzberechtigung von Klappen (öffentlichen Toiletten, d.Red.) als Ort schwuler Sexualität. Spector vertrat die Ansicht, man müsse die BürgerInnen ja nicht »mit den heißesten und prickelndsten Themen konfrontieren. Damit rufe man Intoleranz hervor, und das sei schädigend für die Schwulenbewegung.«

Die Schwulenpolitik gebe es nicht mehr, stellte ein Teilnehmer fest. »Die scheinbar einheitliche Klientel differenziert sich nach parteipolitischen Gesichtspunkten.« Ein Trend, den Christian Pulz nicht bestätigen mochte. Dennoch gab es auch parteiübergreifende Übereinstimmung. So waren sich Spector und Gernot Klemm, PDS-Verordneter von Weißensee, darin einig, daß es Lesben- und Schwulentreffpunkte nicht nur in den Szenebezirken Kreuzberg, Schöneberg und Prenzlauer Berg geben darf, sondern daß sie in den Außenbezirken noch viel wichtiger sind.

Bedauerlicherweise saßen die lesbischen Bezirksverordneten Conny Hubich (Prenzlauer Berg) und Heike Tamm (Friedrichshain) nicht auf dem Podium. Daß es sie gibt, hatte sich bis zu den Veranstaltern nicht herumgesprochen. So drehte sich die Diskussion zu sehr um Klappen und Kondomautomaten in Rathausfoyers. »Aber mehr als Gleichstellungspolitik kann man auf bezirklicher Ebene sowieso nicht machen«, räumte Micha Schulze ein und fragte nach der kommunalpolitischen Perspektive im Jahre 2005. »Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der es keine Lesben und Schwulen mehr gibt, sondern wo jeder sexuell das macht, wozu er Lust hat«, beschrieb Christian Pulz seine Utopie. Dann wäre auch das Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen überflüssig. Dorothee Winden