INTERVIEW
: „Vorwürfe helfen der Umwelt nicht“

■ Ex-Finanzminister Ryutaro Hashimoto über Japans Rolle beim globalen Umweltschutz

Ryutaro Hashimoto zählt zu den einflußreichsten Politikern der japanischen Regierungspartei LDP und gilt als aussichtsreicher Anwärter auf das Amt des Regierungschefs. Seit Anfang des Jahres leitet er einen Arbeitskreis der LDP zum Umweltgipfel in Rio und ist dort neben Ex- Premier Takeshita ihr ranghöchster Vertreter.

taz: Will Japan in Rio eine weltpolitische Führungsrolle beim Umweltschutz übernehmen?

Ryutaro Hashimoto: Will Deutschland diese Rolle nicht übernehmen? Mich interessiert nicht, welches Land in der Konkurrenz die Nummer eins wird. Wir haben ja selbst noch nicht alle Probleme lösen können.

Wird nicht in Rio verlangt werden, daß Japan zumindest beim Geld die Rolle der Nummer eins übernimmt?

Wir sind nicht bereit, in Rio Geld auszugeben, solange uns gleichzeitig ungerechte Vorwürfe gemacht werden. Wir verlangen kein übertriebenes Lob. Aber vorerst sollte die Welt richtig einschätzen lernen, was Japan auf dem Gebiet des Umweltschutzes bereits geleistet hat. Das würde uns Selbstvertrauen geben.

Wir sind bereit, Daten über unsere früheren Fehler kundzutun, damit andere daraus Nutzen ziehen. Am Anfang letzten Jahres habe ich das Umweltministerium beauftragt, eine Kostenuntersuchung über die Prävention der Umweltverschmutzung im Fall der Quecksilbervergiftung in Minamata herzustellen. Das Ergebnis zeigt, daß wir mit weniger Geld und Energie ausgekommen wären, wenn wir noch früher gehandelt hätten. Die Studie zeigt aus makroökonomischer Sicht, wie sich die unproduktiven Kosten für den Umweltschutz nicht unbedingt negativ auswirken müssen.

Ausländische Kritik an Japan trifft vor allem den unmäßigen Verbrauch von Tropenholz in ihrem Land. Werden Sie das Geschäft mit dem Regenwald stoppen?

Meine Visitenkarte ist aus wiederverwendetem Papier. Es ist zwar richtig, daß Japan früher vom Tropenholz abhängig war. Aber die Importmenge hat drastisch abgenommen. Das Problem liegt jetzt eher bei der nicht stattfindenen Nachpflanzung als bei der Abholzung. Der Westen kann nun fortfahren, der japanischen oder der brasilianischen Regierung aufgrund der Abholzung Vorwürfe zu machen. Aber ist es nicht besser, daß sich der Westen selbst befragt? Sind nicht auch in Deutschland viele Wälder wegen des Sauren Regens in Gefahr? Gegenseitige Vorwurfsmacherei hilft der Umwelt überhaupt nicht.

Hält nicht Japan im eigenen Land die Umwelt sauber, während japanische Unternehmen in Südostasien keinen Pfifferling auf den Umweltschutz geben?

Diese Vorwürfe stimmen teilweise. Es ist wahr, daß einige japanische Unternehmen die lockeren Regelungen in Südostasien ausnutzen und sich damit die eigentlich nötige Mühe für den Umweltschutz ersparen. Gerade deswegen ist es wichtig, daß wir diesen Ländern unsere Erfahrungen mit den Umweltproblemen vermitteln. Doch es macht die Sache nicht leichter, daß diese Länder auf unsere Warnungen manchmal ablehnend reagieren.

Wie die EG hat sich Japan bei den Rio-Vorbereitungen für ein völkerverbindliches Einfrieren der C02-Emissionen eingesetzt. Das Vorhaben ist nun gescheitert. War es falsch bedacht?

Nein. Es ist sogar wünschenswert, die C02-Emissionen zu verringern, wenn man an die Zukunft denkt. Nur bedingt das technologische Fortschritte. Japan wird in Zukunft jeden Vorschlag unterstützen, der auch über das Einfrieren hinausgeht, wenn das wirklich möglich ist.

Was bedeutet für Sie der in Rio völkerrechtlich eingeführte Begriff der „umweltschonenden Entwicklung“ („Sustainable development“)?

Nehmen Sie das Beispiel Auto: Japanische Autos sind hinsichtlich ihrer Abgaswerte die besten der Welt. Theoretisch müßten wir also in Japan das Abgasproblem gelöst haben. Stattdessen sind wir in Großstädten erneut mit einer großen Luftverschmutzung konfrontiert, weil die Zahl der Autos so gestiegen ist. Oder das Thema Müll: Kann sich eine Großstadt auch in Zukunft organisch entwickeln oder nicht? Ob die „umweltschonende Entwicklung“ möglich ist oder nicht, ist genau die gleiche Frage.

Glauben Sie, daß eine fortschrittliche Umweltpolitik in Japan das Interesse der Wähler findet?

Noch nicht. Für mich wäre es vielleicht schicker, eine große Rede zum Kampf für die globale Umwelt zu halten. Aber man soll erst das machen, was man selbst zuhause erledigen kann. Ich möchte mich dafür einsetzten, daß das japanische Volk mehr Interesse an der Umweltpolitik bekommt und die Diskussion in Japan tiefer geht.

Welches wären die ersten umweltpolitischen Entscheidungen, die Sie als Premierminister treffen würden?

Wir müssen das Geld anschaffen, das die Kosten deckt, welche sowohl im Inland als auch international nötig sind, um die Umweltprobleme zu lösen. Das darf keine provisorische Geldquelle mehr sein, sondern es muß ein System entstehen, in dem die Bürger kontinuierlich die Kosten tragen. Denn wir leben in einem Zeitalter, in dem alle zur Umweltzerstörung mehr oder weniger beitragen. Interview: Georg Blume