Waffenstopp für Ankara aufgehoben

Außenminister Kinkel eröffnet der Türkei wieder deutsche Waffenhilfe/ Briefwechsel mit Ankara dient der Bundesregierung als Feigenblatt und schließt erneuten Waffeneinsatz gegen Kurden nicht aus  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Der Minister holte sich den Segen des Auswärtigen Ausschusses. Gegen die Stimmen der Opposition votierte der Ausschuß dafür, die Waffenlieferungen an die Türkei wieder aufzunehmen, die kurz vor Ostern gesperrt worden waren, weil die Türkei Waffen aus NVA-Beständen gegen die kurdische Bevölkerung eingesetzt hatte. Bundesaußenminister Klaus Kinkel hatte bei der nichtöffentlichen Sitzung des Ausschusses für neue Waffenlieferungen votiert, nachdem sein Staatssekretär Dieter Kastrup in Gesprächen mit der türkischen Regierung ein geeignetes Procedere ausgehandelt hat. Dabei bleibt zwar unklar zu der wichtigen Frage, was die Türkei tatsächlich mit diesen Waffen anstellt. Aber die Bundesregierung hat sich immerhin ein gutes Gewissen verschafft. Denn der Briefwechsel, der nach den Vorverhandlungen die Wiederaufnahme der Waffenhilfe ermöglichen soll, stellt die deutsche Position klar. In Kinkels Brief an den türkischen Amtskollegen Hikmet Cetin wird stehen, daß die unter Nato-Partnern geleistete Waffenhilfe nach Artikel 5 des Nato-Vertrags nur im „Bündnisfall“ eingesetzt werden, also im Fall eines Angriffs von außen. Cetin stimmt dem zu, verweist aber zusätzlich auf Ziffer 13 des Nato-Kommuniqués von Rom, nach dem auch „Akte des Terrorismus“ sicherheitsgefährdend sein können. Da die türkische Regierung die Gewalt gegen die kurdische Bevölkerung mit dem „kurdischen Terrorismus“ begründet, kann das eigentlich nur als Wink mit dem Zaunpfahl verstanden werden. Aber nach Sichtweise des Außenministeriums gibt es keinen Grund, der türkischen Interpretation zu widersprechen. Mit nicht zu überbietender Klarheit, so Staatssekretär Kastrup vor dem Ausschuß, habe er in Ankara vertreten, daß terroristische Sicherheitsgefährdung keinesfalls den „Bündnisfall“ darstelle, sondern lediglich Konsultationsverpflichtungen nach sich ziehe.

Die Opposition stimmte gegen neue Waffenlieferungen in die Türkei. Erstens, so Karsten Voigt (SPD), müsse nach dem Ende des Ost-West-Konflikts die Nato-Verteidigungshilfe generell überdacht werden. Das gelte nicht nur für die Türkei, sondern auch für Griechenland und Portugal, die aus der Bundesrepublik beliefert werden. Zweitens könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Briefwechsel von beiden Seiten unterschiedlich interpretiert werde und die Türkei die Waffen wieder im Inneren einsetze. Die wünschenswerte Besserung der deutsch-türkischen Beziehungen dürfe nicht in erster Linie auf militärischer Hilfe basieren, sondern müsse sich vorrangig auf die politischen, ökonomischen und kulturellen Beziehungen stützen.

Mit der Zustimmung des Auswärtigen Ausschusses ist der Weg für neue Waffenlieferungen an die Türkei im Prinzip frei. Der Ausschuß hob gestern noch eine weitere Sperre auf. Der Kreditstopp für die von China projektierten Containerschiffe ist aufgehoben — gerade rechtzeitig zum dritten Jahrestag des Massakers von Peking.