Feministische Wissenschaftsförderung

■ Berliner Förderprogramm Frauenforschung — bundesweit einmalig, doch von finanziellen Sorgen geplagt/ Dennoch positive Bilanz auf Jahrestagung/ Lage von Frauen an Unis verschlechtert

Berlin. Eine künstlerische Auseinandersetzung mit Denkmalsockeln, die von ihrer »sozialistisch-verruchten« Bürde befreit wurden und nun ohne Last ihr steinernes Leben fristen, ist eines der vielfältigen vom Berliner Förderprogramm Frauenforschung finanzierten Vorhaben. Im Ansatz dieser »Sockelforschung« liegt schon das verborgen, was Inhalte und Ziele feministischer Frauenforschung im wesentlichen ausmacht. Denn sie will männlich-manifestes, jahrhundertealtes Wissenschaftsdenken vom Sockel stürzen und dem tradierten Wissenschaftsbetrieb eigene Theorien, Forschungsansätze und -projekte entgegensetzen.

Die Lebendigkeit und das Innovationspotential wissenschaftlicher und künstlerischer Frauenforschung dokumentierte gestern die Jahrestagung des Berliner »Förderprogramms Frauenforschung«, bei der zum dritten Mal Bilanz gezogen wurde. Eine Bilanz, die nach den Worten von Frauensenatorin Christine Bergmann »rundum positiv« ausfällt, wenn es um die Inhalte der geförderten Frauenforschungsvorhaben und ihre Ergebnisse geht. Eine Bilanz, die allerdings düster aussieht, wenn ein Blick auf die finanzielle Situation des Förderprogramms und auf die Lage von Frauen an Berliner Hochschulen geworfen wird.

Denn Universitäten sind nach Einschätzung von Senatorin Bergmann eine »der härtesten Männerbastionen, die wir noch haben«. Das drückt sich vor allem dort aus, wo hochqualifizierte Wissenschaftlerinnen aus den Institutionen der Wissenschaft ausgeschlossen werden. Zahlen belegen dieses Ausschlußverfahren: Sind unter den StudienanfängerInnen noch zu 40 Prozent Frauen vertreten, so dünnt sich dieser Anteil extrem aus, je höher es hinauf in der Hierarchie der Universitätskarriere geht.

Nur noch jede zehnte Habilitation wird von einer Frau verfaßt, nur noch jede zwanzigste Professur mit einer Frau besetzt. Besetzungsverfahren ziehen sich in die Länge, werden verschleppt und verzögert, wie derzeit auch am Institut für Soziologie der Freien Universität, wo die Berufung einer Frauenforschungsprofessur seit geraumer Zeit auf sich warten läßt. Die Umstrukturierung der Hochschulen im Ostteil der Stadt führt derzeit zu einer rasant ansteigenden Zahl erwerbsloser Wissenschaftlerinnen.

Gerade um Wissenschaftlerinnen und künstlerisch tätigen Frauen Forschung außerhalb der bürokratischen »Männerbastion Universität« zu ermöglichen, wurde das Berliner Förderprogramm Frauenforschung 1988 aus der Taufe gehoben. Außerhalb der etablierten »old-boys-networks«, so die Erfahrung von Professorin Karin Hausen, Vorsitzende der Förderkommission, »funktioniert das bundesweit einmalige Förderprogramm schnell und unbürokratisch«. Daß es nicht an hochqualifizierten Wissenschaftlerinnen mangelt, beweisen die durchweg fundierten und wissenschaftlich oder künstlerisch ausgefeilten Konzeptionen, die der Förderkommission Frauenforschung zur Begutachtung vorgelegt werden.

Die Palette ist breit: sowohl längerfristige Forschungsvorhaben, aber auch Promotionsstipendien, Mittel für eine Tagung oder dringend benötigte Arbeitsmittel für ein Projekt, wie Videokameras oder Computer, können zweimal jährlich beantragt werden. Das Programm förderte in den vergangenen Jahren 337 Vorhaben, die von einer Seminarreihe zur lesbischen Mutterschaft bis hin zu Filmrecherchen oder zur Monographie des »Weiblichen Blicks in Kriminalromanen« reichte.

Doch die Vielfalt kann nicht über das finanzielle Dilemma hinwegtäuschen, mit dem sich das Förderprogramm heute konfrontiert sieht. Denn die mühselig erstrittenen 3,5 Millionen Mark, die der Senat mittlerweile für das Programm bereitstellt und die sich am Bedarf des Berliner Westens orientieren, müssen längst zwischen Ost und West aufgeteilt werden. Die kurzfristige »Reduzierung« der Fördermittel für das zweite Halbjahr 1992 führte dazu, daß alle längerfristig angelegten Forschungsvorhaben nicht finanziert werden konnten. Karin Hausens Fazit bezüglich dieser Situation: »Optimismus tut Not, doch Skepsis bleibt angebracht.« flo

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