BUNSENBRENNER
: "post-docs"

■ Grundlagenforschung von innen her betrachtet

Naturwissenschaftliche Forschung läßt sich auf verschiedene Weise mißverstehen: unkritisch verherrlichend oder ängstlich dämonisierend. Einen alternativen Zugang von innen her bietet das Buch Forschen auf Deutsch von S. Bär. Vom Standpunkt des sogenannten „post-docs“, eines zum Zwecke fortgesetzter Ausbeutung mit kurzen Zeitverträgen beschäftigten promovierten Wissenschaftlers aus berichtet der Autor engagiert und pointiert aus dem Bauch der Bestie. Die Bestie, das ist das System bundesdeutscher Grundlagenforschung an Universitäten, Max-Planck-Instituten und Großforschungseinrichtungen, wohlalimentiert, doch schlecht organisiert, hierarchisch und ineffektiv.

Wer kennt schon die nützliche Einteilung der TeilnehmerInnen am großen Glücksspiel um eine gesicherte Existenz in der Forschung in die kleine Klasse der Gewinner (Professoren, Max- Planck-Direktoren und selbständige Laborleiter) und die große Klasse der Verlierer (HiWi, Diplomand, Doktorand, post-doc und Pharmareferent)? Wer weiß schon, zu welchem Zweck all diese Kongresse an attraktiven Schauplätzen veranstaltet werden und warum die Lawine wissenschaftlicher Zeitschriftenartikel ständig anschwillt? Wer macht sich Gedanken über die soziale Lage derjenigen, die in der Forschung „die ganze Arbeit machen und doch nur Mitarbeiter genannt werden“? Oft genug nicht einmal die Betroffenen, denen das Buch daher als Augenöffner dringend empfohlen wird, insbesondere jenen, die trotz allem unbedingt Professor werden wollen.

Hoffnungsvolle Studentinnen und Studenten der Naturwissenschaften mögen sich nach der Lektüre überlegen, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt. ForschungskritikerInnen können nach diesem Einblick in die Forschungsrealität abschätzen, wen sie mit ihren Appellen zur Verantwortlichkeit und Selbstbeschränkung erreichen wollen und erreichen können. Aber der Rest des Publikums, dürften ihm die Sorgen, Nöte und Karrierehindernisse eines relativ kleinen und trotz allem privilegierten Berufsstandes nicht eigentlich gleichgültig sein? Sicher nicht, denn anders als die von Berufsfußballern und SchauspielerInnen hat die Tätigkeit von WissenschaftlerInnen konkrete Auswirkungen auf all unser Leben. In Fragen der Forschungsorganisation brauchen wir also eine öffentliche Debatte. Eine solche möchte Forschen auf Deutsch in Gang setzen; der vom Autor vorgebrachte Reorganisationsvorschlag leidet allerdings an eben der Parteilichkeit, die dem Stil des Buches bei der Beschreibung des Status quo zugute kommt. „Post-docs an die Macht!“ kann eben nicht die Lösung sein, wenn es neben deren Existenzsicherung und Effektivität der Forschung um Umwelt- und Menschenfreundlichkeit von Forschungszielen und -methoden gehen soll. Jan Wüster

S. Bär: Forschen auf Deutsch , Verlag Harri Deutsch, Frankfurt/Main und Thun, 1992, 19,80 DM