STANDBILD
: Aus der Ost-Bronx

■ Landschaft mit Dornen, Mi., 21 Uhr, ARD

Kurz nach der Vereinigung startet Filialleiter Rolf eine Bank im Osten. Seine Tochter Milva träumt nur noch in Zahlen und Bargeld. Sie ist der Shooting-Star. Sie haßt „Alter, Krankheiten und schlechten Geruch“. Der Weihnachtstrip nach Teneriffa für sich und ihren Freund Marcel ist längst gebucht. So ungefähr hat Helmut Kohl sich die Vereinigung auch vorgestellt. Wo zum Teufel liegt also das Problem?

Marcel ist Mitglied einer von seinem Bruder Ric (der mit dem Messer wirft) geführten, parazivilen Kult- Schlägertruppe. Mit ideologischen Karzinomen im Kopf hängen die Jungs schwer gefährlich an einem stillgelegten Baggersee herum und pflegen einen wilden Jargon, der eine Mischung aus NS-Deutsch und gediegener Lust am Untergang darstellt: „Ich kann nichts dafür, daß ich lebe. Alles andere klären wir morgen.“

Damit der öffentlich-rechtliche Zuschauer auch merkt, daß es den Jungs mit ihrer halbstarken Lebenswut ernst ist, schlägt Paul anfangs zum Spaß gleich einen Hund zu Brei. Hart und schrill geschnitten geht es weiter. Knut, der vierte der Ost- Droogs“ (Kubrick, Uhrwerk Orange, gell?) kommt nach Hause, wo seine Mutter vor dem geöffneten Gashahn volltrunken über die Terminierung ihres Lebens meditiert.

Regisseur Bernd Böhlich und Drehbuchautor Uwe Saeger haben da einiges zusammengerührt. Ihre Landschaft mit Dornen sprotzt und holpert wie ein aus Schrotteilen zusammengeschusterter Trabbi. Aber er funktioniert. So manches möchte man dem Gespann verzeihen. Beispielsweise, daß ihre Darsteller auf der Suche nach dem ultimativen Ernst chargieren wie eine übersteuerter Kassettenrekorder, dessen Tonspur ständig im roten Bereich knistert. Egal. Hauptsache, es passiert mal etwas in diesem langweiligen Fernsehfilm-Gerne.

Was die Jungs wollen: „Einmal Ursache für etwas sein. Und sei es die Tötung eines Menschen“, sagt Rick mit gebrauchsphilosophischem Anklang. Sein Vater, militaristischer Waffenhändler, nötigt ihm einen 50er zwecks Prostituiertenbesuchs auf, damit der Junge wenigstens einmal einen Schuß nicht mit der Waffe abgibt: „Du hast kranken Saft im Hirn.“ Rick durchschießt den Schein mit der Pistole: praktische Demonstration für Sublimierung. So auch das männerbündlerische Mordkomplott gegen den Filialleiter. Jeder schreibt etwas auf einen Zettel und erhält auf ominöse Weise eine Funktion und einen Mordauftrag. Wie bei der Stasi. Umständlich prätentiöses Apparatschik-Gebaren und vor allem tausend Papiere: Aber keiner weiß was Genaues.

Insgesamt ein angenehm heftiger Sozialschocker mit postapokalyptischen Akzenten, der trotz dramaturgischer Patzer und darstellerischer Schwächen wegen seiner Entschlossenheit überzeugt. Weniger Film als Amoklauf. Bisweilen rasant überdreht, aber mit Hintergrund. Manfred Riepe