Das Kampfschwein in der Stierarena

■ Leconte siegt nach Zweisatzrückstand im Viertelfinale gegen Kulti/ Agassi, Korda und Courier weiter

Paris/Berlin (dpa/taz) —Henri Leconte wurde in der Pariser Stierkampfarena zum Kampfschwein. Mit einer unglaublichen Energieleistung — besonders im Bereich der Stimmbänder — verwandelte das 28jährige Muskeltier im Viertelfinale der French Open gegen den schwedischen Favoritenschreck Nicklas Kulti einen aussichtslos scheinenden 0:2-Satzrückstand in einen Sieg: Mit 6:7 (8:10), 3:6, 6:3, 6:3, 6:3 schaufelte sich der Franzose ins Halbfinale.

16.500 Zuschauer waren dem Kollaps nahe, trampelten auf den Stühlen und waren nicht mehr zu bändigen, als ihr nicht minder schreiender und kreischender Liebling den Thriller nach 3:38 Stunden mit dem ersten Matchball gewann. Richtig leid tun konnte einem jedoch der Ärmste aller Schweden. Von Lecontes eisernem Willen völlig zermürbt, sackte der zuletzt völlig kraft- und mutlose Kulti in seinem Stuhl zusammen. Leconte indes drehte erst richtig auf und vollführte bei „standing ovations“ Freudentänze im roten Sand von Roland Garros.

Einen besonderen Schub der genialen Art fühlte auch das Haarwunder Andre Agassi. „Wenn ich bei Grand Slam-Turnieren bin, verspüre ich immer ein einzigartiges Kribbeln. Da fühle ich mich unglaublich stark, fast unschlagbar. Bei normalen Turnieren habe ich dieses Gefühl nie“, begründete Agassi nach der 1:59 Stunden dauernden Gala-Vorstellung gegen Pete Sampras seine Leistungsexplosion in Paris. In den vergangenen Monaten hatte der zerzauste Paradiesvogel des Herren- Tennis mehr durch unerwartete Pleiten denn durch großartige Erfolge auf sich aufmerksam gemacht. Einzig der Turniersieg Anfang Mai in Atlanta, als er ebenfalls Sampras schlug, bildete eine Ausnahme.

Der Entschluß, sich in Florida im Trainingscamp von US-Starschleifer Nick Bolletieri den letzten Schliff für die French Open zu holen, erwies sich als richtig. Nachdem er gegen Sampras den ersten Durchgang im Tiebreak glücklich dank eines Netzrollers zum 8:6 gewonnen hatte, war Der US-Amerikaner außer Rand und Band. Gut gelaunt deklassierte der 22jährige seinen staunenden Landsmann mit 7:6, 6:2, 6:1.

Doch auch der Weltranglisten-Erste Jim Courier, auf den Andre Agassi im Halbfinale treffen wird, ist offensichtlich in Topform: Mit 6:2, 6:1, 2:6, 7:5 gewann er seine Partie gegen den Kroaten Goran Ivanisevic.

Leichter hat es zur unbändigen Freude der französischen Tennisfreaks ihr „Allez, Henriiii“: Er darf im kommenden Match den Tschechoslowaken Petr Korda mit lauter Stimme und tobendem Publikum einschüchtern. Korda hatte sich gestern gegen den Gussen Andrej Tscherkassow mit 6:4, 6:7 (3:7), 6:2 und 6:4 nicht allzu sehr verausgaben müssen.

Nicht nur profan um Sieg und Niederlage, sondern vor allem um die Olympianominierung ging es indes beim deutschen Frauendoppel. Wobei eine Spielerin selbstredend feststeht: Steffi Graf. Fraglich war nur, ob Anke Huber oder Barbara Rittner an ihrer Seite stehen darf. Zwar ist bis zum Nominierungsschluß noch ein Monat Zeit, die Entscheidung um die Besetzung hat Bundestrainer Klaus Hofsäß jedoch jetzt schon getroffen. Die Heidelbergerin Anke Huber hat das Rennen gemacht. „Graf/Huber sind in der Lage, bei Olympia jedes andere Doppel zu schlagen“, prophezeite Hofsäß. Ausschlag für die Entscheidung war der Einzug der beiden, die das erste Mal zusammen spielen, ins Halbfinale der French Open. Im Viertelfinale schlugen sie Frankreichs Olympia-Doppel Isabelle Demongeot/ Nathalie Tauziat, die in Barcelona nach der vorläufigen Setzliste immerhin an Nummer sechs eingestuft sind, mit Leichtigkeit 6:4, 6:1. Hofsäß: „Die returnieren wie kein zweites Doppel.“ miß