„Das war bestimmt nicht der Wunsch der SPD“

■ Niedersachsen Grüne Fraktionsvorsitzende Thea Dückert über Erfolge und Niederlagen der Grünen in der Koalition

Gibt es politische Entscheidungen der niedersächsischen Landesregierung, die unter einer SPD-Alleinregierung anders gelaufen wären?

Thea Dückert: Eine ganze Reihe, übrigens in einem Bereich, wo man Grünen nie etwas zugetraut hätte. Ganz abgesehen vom Kräfteverhältnis zwischen der SPD und unserer 5,4-Prozent-Fraktion. Das ist der Bereich Wirtschafts- und Industriepolitik. Beispiel: Der Amerikahafen. Die alte Landesregierung mit Unterstützung der SPD-Opposition wollte einen Hafen in ein Biotop hineisetzen, nur die Grünen und die Umweltverbände haben gesagt, wir können die Industriebrache Amerikahafen nutzen. Kurz vor der Wahl haben wir den noch besetzt. Das ist realisiert worden, ein Staatsvertrag mit Hamburg ist vereinbart.

Die Begehrlichkeiten auf ein erträgliches Maß reduzieren

Ein anderes Beispiel: Die Mobil- Oil-Raffinerie in Wilhelmshaven. Wir haben immer gesagt, mit den Emissionswerten kann das nicht ans Netz gehen. Die gesetzlichen Grenzwerte müssen unterschritten werden. Uns ist vorgeworfen worden, wir wollten die Arbeitsplätze vernichten. Mit der

Unterstützung auch des Ministerpräsidenten gegen viele andere ist hier ein Vertrag zustandegekommen.

Die Luneplate-Vereinbarung wäre ohne die Grünen so nicht gelaufen?

Nein. Die Luneplate war gerade von der örtlichen SPD als Industrieansiedlungsgebiet gefordert, weil man sich davon Arbeitsplätze erhoffte. Es hat langer Verhandlungen bedurft, um da einen ökologisch-ökonomischen Ausgleich hinzubekommen.

Die Emsvertiefung für die Meyer-Werft und die Gas-Pipeline für die Statoil, das tut richtig weh

Man kann zeigen, daß die Luneplate nicht gebraucht wird, deshalb haben wir da auch Unterstützung von dem neuen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Tacke, bekommen. Das war bestimmt nicht der Wunsch der SPD, das so zu machen. Schließlich hat die SPD mitgezogen, die Begehrlichkeiten Bremens auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Wir haben 100 Hektar für Industrie und 1.200 Hektar für den Naturschutz vereinbart, das hat es bundesweit noch nicht gegeben.

Gibt es Beispiele, die weh tun, wo die Grünen ihre Vorstellungen nicht einbringen konnten?

Die Teststrecke bei Papenburg. Wir haben den symbolischen Wert dieser Daimler-Teststrecke unterschätzt. Wir haben in der Sache einiges durchgesetzt, wir

Wir haben politisch auch Fehler gemacht

werden versiegelte Fläche entsiegeln, es wird ein groß angelegtes Moorschutz-Programm geben. Das Verbandsklagerecht der Umweltverbände wird in dem Zusammenhang in Niedersachsen eingeführt. Diese Punkte sind wenig sichtbar, weil der symbolische Gehalt der Teststrecke überwiegt. Da haben wir politisch einen Fehler gemacht.

Und richtige Fehler?

Was richtig weh tut? Meyer- Werft, die Emsvertiefuzng. Ich hoffe ja immer noch, daß sie nicht kommt, jedenfalls nicht in dem Umfang, wie Meyer sie will. Das ist schwer in einer Region mit einer derartig hohen Arbeitslosigkeit und mit dem Druck aus Bonn. Statoil ist noch nicht entschieden, wir wollen die Statoil-Gas-Pipeline nicht durchs Wattenmeer. Ich glaube, daß wir uns durchsetzen können.

Es gab mal bei den Grünen eine Diskussion, daß man als freche Opposition mehr durchsetzen kann als eingebunden in die Regierungszwänge.

Ich glaube, diese Vorstellung gibt es immer noch. Natürlich haben wir auch in der Opposition einiges bewegt. Ich erinnere nur an den Dollart-Hafen. Aber im Laufe der Zeit hat sich herumgesprochen, daß in den Alltagsproblemen, also Schulpolitik, Kindergärten, für die örtlichen Politiker etwas verändert hat. Zum Beispiel gibt es einen Schwulenbeauftragten in der Landesregierung. Bei den Betroffenen wird das registriert.

Ich sehe gute Chancen, daß es für eine zweite Legislaturperiode reicht

Ich hoffe, die Erkenntnis setzt sich durch, daß einiges zu bewegen ist in so einer Landesregierung. Die großen Volksparteien sinken rapide in der Wählergungst. Wenn in zwei Jahren gewählt wird, würde die SPD die notwendigen Stimmen mitbringen, um mit 5 Prozent Grünen die Mehrheit bilden zu können?

Zwei Jahre sind eine lange Zeit. Derzeit liegen die Grünen nach Umfragen bei 9 Prozent, die SPD hat nur wenig verloren in Niedersachsen. Es würde also für eine zweite Legislaturperiode reichen. ich sehe da eine gute Chance, daß das auch in zwei Jahren noch so ist. Int.: Klaus Wolschner