NEU IM KOMMUNALKINO: Schreckliche Wahrheit

Jerry beschwindelt seine Gattin Lucy, und deren Beziehung zum schmalzigen Gesangslehrer Armand ist auch recht undurchsichtig. Die schreckliche Wahrheit heißt Scheidung, aber natürlich lieben sie sich trotzdem, und wir kennen die Geschichte in- und auswendig. Hat der Witz dieser „comedy of remarriage“ von 1937 heute nicht schon längst sein Verfallsdatum überschritten? Die tatsächlich schreckliche Wahrheit besteht darin, daß ich mich in keiner Komödie der Jahrgänge 91/92 so gut amüsiert habe wie in dieser Screwball Farce von Leo McCarey.

Auch wenn sich Cary Grant und Irene Dunne noch so boshaft bekriegen; auch wenn sie keine Gelegenheit auslassen, sich gegenseitig bloßzustellen und mit bewundernswerter Perfidie die Nebenbuhler austricksen, läßt uns doch die Art, wie sie zusammen auf der Leinwand wirken, nicht einen Moment am Happy End zweifeln. Beide Stars sind in dieser Produktion in Bestform, und auch die Nebenrollen sind ideal besetzt: der manirierte Gesangslehrer, ein dumpfer Rancher aus Oklahoma, und seine dominante Frau Mutter; scharfzüngige Partygäste und eine unbedarfte Sängerin, deren hochgewirbeltes Kleid an Billy Wilders berühmte Szene mit Marilyn Monroe erinnert.

Aber nur einer kann Cary Grant die Schau stehlen: der kleine Terrier Mr. Smith, um den die Ehepartner sich vor dem Scheidungsrichter streiten wie um ein gemeinsames Kind. Durch den Hund und seine zum Teil verblüffenden Kunststückchen konnte McCarey neben dem feingeschliffenen Dialogwitz auch viel Slapstick in dem Film einbauen, und diese Szenen des Regisseur von Komödien von Oliver & Hardy, den Marx Brothers oder W. C. Fields sind die Höhepunkte des Films. Etwa wenn Lucy einen verräterischen Hut mit allen Tricks vor Jerry zu verbergen versucht, während Mr. Smith ihn immer wieder brav apportiert. In „The Awful Truth“ sind Stil und Komik, Romanze und Frivolität perfekt ausbalanciert. Am Schluß des Films wird zum Beispiel der körperliche Vollzug der Ehe durch zwei Holzfiguren einer Wanduhr angedeutet: vorher war bei jedem Glockenschlag jedes nach einem kleinen Tänzchen wieder brav durch sein eigenes Türchen gegangen. Um zwölf Uhr schlüpft aber das Männchen schnell mit durch ihre Pforte. That's the awful truth. Wilfried Hippen

Cinema Mo. — Do 18.45 Uhr, OmU