Kein Beschluß zur Bildungspolitik

■ Grüne berieten Proteste / Fücks: „Aufstand der Wirtschaftswundergeneration“

Der Landesvorstand war auf Krawall gebürstet. Doch seinen Antrag zog er auf der grünen Landesmitgliederversammlung am Donnerstag abend im Konsul-Hackfeld-Haus schließlich wieder zurück. So blieb die Frage offen, ob eine grüne Mehrheit seine Forderungen zur Sparpolitik im Bildungsbereich teilt: Keine Erhöhung der Klassenfrequenzen, Aussiedlerkinder bei den Klassenstärken mit dem Faktor 1,5 zählen, jährliche Neueinstellung von 90 Lehrern.

Die Begründungen waren nicht neu: Eine eigenständige Bildungspolitik sei ein Stück Eigenständigkeit für das Bundesland Bremen, sagte Vorstandsmitglied Karin Krusche, Uwe Helmke, ebenfalls im Landesvorstand, schmiß in klassischer Lehrer-Manier den guten alten Overhead- Projektor an und entwickelte auf einer Folie eine beeindruckende Schere bei der Schüler-Lehrer Relation: Im Jahr 2000 unterrichten 500 Lehrer weniger 5.000 Schüler mehr, wenn die jetzt gefaßten Sparbeschlüsse umgesetzt werden.

Und auch der Abgeordnete Wolfram Sailer, der noch „blaue Flecken aus zahlreichen Veranstaltungen mit Eltern und Lehrern“ hatte, stand auf und erklärte: „Ich trage die Beschlüsse, weil ich glaube, daß bei rot-schwarz noch mehr gespart würde, aber ich unterstütze den Antrag.“

Dann kamen die Gegenargumente. Die Bürgerschaftsabgeordnete Marieluise Beck war „entsetzt über den Stil, der hier in dieser Diskussion praktiziert“ werde. Der Sturmlauf der Basis gegen die Kürzungen im Bildungsbereich sei eine „Aufforderung an die Grünen, aus der Ampel zu gehen.“ Etwas anderes als die „Verteilung von Mangel“ könne angesichts der Finanzsituation in Bremen niemand erwarten, „und es ist wichtig, daß wir bei dieser Verteilungsdiskussion dabei sind.“

Der Fraktionsvorsitzende Dieter Mützelburg schlug in die gleiche Kerbe. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes habe deutlich gemacht, „daß die Politik der Kürzungen über Jahre weitergehen“ werde. Sein Trost: Kinder werden nicht nur durch die Schule beeinflußt.

Und Umweltsenator Ralf Fücks ergänzte: „Man darf die bildungspolitische Diskussion nicht mit reformpädagogischem Ethos führen.“ Die heftigen Reaktionen aus Eltern- und Lehrerkreisen sei der „Aufstand der Wirtschaftswundergeneration“, die sich gegenüber einer Politik der knappen Ressourcen verweigere und „für die finanzpolitische Argumente reaktionäre Ausreden“ seien. Martin Kurt, Lehrer, hielt dagegen: „Die halbherzigen Reformen der SPD wurden nur durch das Engagement vieler Lehrer umgesetzt. Diesen Leuten fallt ihr jetzt mit den Sparbeschlüssen in den Rücken.“

Fücks schlug schließlich als Kompromiß vor, Lehrereinstellungen zu fordern „in dem Umfang, wie sie zur Erreichung der Ziele des Koalitionsvertrages“ unter Berücksichtigung der Sparquoten nötig sind. Der Antrag von Fücks wurde mit knappem Unentschieden (18:18) abgelehnt, der Antrag des Landesvorstands aber zurückgezogen.

Ein kurzes Hick-Hack gab es auch noch um einen Antrag aus dem Landesvorstand, die Einrichtung zweier Gymnasien in Bremen abzulehnen. Einen solchen Passus hatte die FDP in die Koalitionsvereinbarungen geschrieben. Deshalb mahnte Fraktionsgeschäftsführer Rainer Oellerich: „Wenn wir das beschließen, kann das nur die Konsequenz haben, aus der Koalition auszutreten.“ Wenn die Grünen das aber nicht wollten, so brauchten sie auch den Antrag nicht zu stellen, denn ohne die Konsequenz sei er sinnlos. Erst diskutierten die Grünen über mögliche Änderungen im Antrag, dann beschlossen sie die Aussetzung des Themas.

Schließlich vereinbarten die Grünen auch noch, sich auch mit dem geplanten Container-Terminal III in Bremerhaven und der Außenweser-Vertiefung noch einmal eingehend zu beschäftigen — aber in „beschlußfähiger Stärke“ und nach der Sommerpause, denn von anfangs 60 Mitgliedern hatte die Hälfte zu diesem Zeitpunkt die Versammlung bereits verlassen. mad