QUERSPALTE
: Das Tor hat seine Schuldigkeit getan

■ Zwei Wochen nach der Öffnung für den Verkehr ist das Brandenburger Tor bereits zum Provisorium geworden

Über ein Jahr dauerte es, bis im koalitionsinternen Gerangel die CDU die Bresche durchs Brandenburger Tor geschlagen hatte. Keine zwei Wochen fädeln sich nun Busse und Taxis erlaubterweise und Privatautos unerlaubterweise durch die Mittelpassage, da hat das Tor seine Schuldigkeit getan. Der Verkehrssenator spricht bereits von einem »Provisorium«. »Endgültige Regelungen« sollen an seine Stelle treten. Was ist passiert? Hat die Igelpartei mit ihrem: »Ick bün all da« zur Eröffnung des Tores dem Haasen den verkehrspolitischen Scheinwerfer aufgesetzt? Mitnichten!

Denn die Route zwischen dem Spalier der Hamburger Gitter brachte die CDU und ihren Verkehrssenator der Erfüllung ihrer auto-nomen Wünsche ein ganzes Stück näher. Den sozialdemokratischen Positionen zum Brandenburger Tor droht über diesen Mittelweg, auch ohne Gefahr und große Not, der Tod. Denn der Koalitionskompromiß, der in der schmalen Spur zwischen den Säulen seine Verwirklichung und seine Metapher findet, gründet auf der Exklusivität für den öffentlichen und die weiträumige Umfahrung durch den privaten Verkehr. Diese Voraussetzungen schwanden bereits in dem Maße, wie der Verkehr durchs Tor rollte. Doch machten sich nicht nur die diversen Autofahrer einen sportlichen Jux daraus, unter der Quadriga herumzukutschieren, Finanzminister Theo Waigel und Bauministerin Irmgard Schwaetzer schoben zudem dem geplanten Umgehungsverkehr über die Behrenstraße einen Riegel vor. Sie zogen ihre Zustimmung zu deren Verlängerung, die noch vorige Woche sicher schien, zurück.

Dieser vermeintliche oder tatsächliche Sinneswandel der Bonner kommt der hiesigen CDU nicht ungelegen. Denn damit ist, so mußte gestern auch die SPD feststellen, der Druck in Richtung auf eine enge Umfahrung des Tores größer geworden. Dem Verkehrssenator, dem diese Position der Bundesminister am Dienstag noch unbekannt war, ließ am Donnerstag plötzlich mitteilen, es sei ihm schon lange bekannt gewesen, daß die Verkehrsführung über die Behrenstraße nicht von Dauer sein kann. Eine dritte Variante ist auch aus sozialdemokratischem Blickwinkel nicht erkennbar. Dem von der CDU favorisierten »Spangenmodell« mit zwei dreispurigen Trassen stünden folglich lediglich Eigentumsprobleme entgegen. Werden auch sie von der Fahrbahn geräumt, käme zu den bislang bevorrechtigten Verkehrsarten am Brandenburger Tor eine weitere hinzu. Denn dann wäre die CDU dort mit der SPD Schlitten gefahren. Dieter Rulff