Im Dschungel der Sprachreisen

■ Die Aktion Bildungsinformation nimmt sprachreiseangebote kritisch unter die Lupe. ...

Die Aktion Bildungsinformation nimmt Sprachreiseangebote kritisch unter die Lupe. GÜNTER ERMLICH sprach mit der Verbraucherschützerin Barbara Engler.

taz: Learning english in Brighton, parler francais in Paris, aprender el espagnol in Malaga: Der Markt der Möglichkeiten, eine Fremdsprache im Mutterland der Sprache zu lernen, ist immens. Gibt es verläßliche Teilnehmerzahlen zu Sprachreisen?

Barbara Engler: Ich schätze, daß im letzten Jahr rund 140.000 deutsche Jugendliche und Erwachsene eine Sprachreise buchten, wobei das Sprachreiseland Nummer eins Großbritannien ist. Aber auch die USA, Malta und Spanien gewinnen an Beliebtheit. Dabei wurden nach einem Pressebericht 280 Millionen Mark ausgegeben.

Nach welchen Kriterien beurteilen Sie Sprachreisen?

In erster Linie nach juristischen Kriterien, den Geschäfts- und Vertragsbedingungen. Unsere Auskünfte basieren ausschließlich auf Erfahrungswerten, auf Berichten, die uns Teilnehmer nach ihren Sprachreisen zusenden. Wir von ABI empfehlen, Anbieter zu wählen, bei denen die Anzahlung nicht mehr als 10 Prozent beträgt. Bei vollständiger Zahlung des Reisepreises sollten die Unterlagen ausgehändigt werden, die dem Reisenden unmittelbare Ansprüche gegenüber den einzelnen Leistungsträgern der Reise sichern, wozu die Fahrkarten, die Hotel-Voucher beziehungsweise die Adressen der Gastfamilien gehören.

Können Sie einen konkreten Fall nennen, wo es wegen der Geschäftsbedingungen Schwierigkeiten gab?

Kompaß-Sprachreisen Düsseldorf wurde vom Oberlandesgericht verboten, eine Anzahlung von 500 Mark zu fordern, weil nach der Rechtsprechung nur 10 Prozent zulässig sind. Kompaß änderte seine Geschäftsbedingungen und ließ die Anzahlungshöhe ganz weg. Wie aus einer uns vorliegenden Auftragsbestätigung eines ostdeutschen Kompaß-Kunden hervorging, forderte Kompaß aber nach wie vor die 500 Mark Anzahlung. Daraufhin strengte ABI ein Verfahren an mit dem Resultat, daß Kompaß wegen schuldhafter Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von 5.000 Mark zahlen mußte.

„Hier spricht man (zuviel) deutsch“ betitelte die Stiftung Warentest ihren Testbericht über Feriensprachreisen nach Großbritannien. Können Sie dieses Urteil teilen?

Bei Sprachreisen für Schüler, die von hier aus mit deutscher Begleitung durchgeführt werden, wird in der Gruppe natürlich in der Unterrichtspause und in der Freizeit deutsch gesprochen. Zur Sprachförderung trägt das nicht bei, ebensowenig, wenn die Schüler zu zweit oder dritt in einer Gastfamilie untergebracht sind. Besonders in den Sommermonaten und in den großen Badeorten an der Südküste Englands sind die Gastfamilien durch Sprachschüler aus aller Welt überfordert und überlastet, so daß die notwendige sprachliche Kommunikation und intensive Betreuung zu kurz kommt oder ganz auf der Strecke bleibt. Man muß halt berücksichtigen, daß die Aufnahme der Sprachschüler aus finanziellen Gründen erfolgt, und leider ist die Bezahlung der Gastfamilien nicht allzu üppig. Insgesamt ist die Gastfamilie der häufigste Grund für Beschwerden.

Wovon hängt der Erfolg einer Sprachreise entscheidend ab?

Natürlich einmal vom Unterricht. Ein Mindestmaß von 15 Unterrichtsstunden pro Woche und nicht mehr als 12 Schüler pro Klasse ist in Ordnung. Zum zweiten hängt der Erfolg von der Unterrichtsqualität des Lehrers ab. Sehr wichtig ist auch, daß die Schüler durch einen guten Einstufungstest in Gruppen eingeteilt werden und nicht, wie es früher oft geschah, bunt zusammengewürfelt werden.

Der expandierende Sprachreisemarkt erscheint wie ein Dschungel. Wie kann der Verbraucher dem Wildwuchs der Branche begegnen und sich vor „schwarzen Schafen“ schützen?

Indem er sich vor der Anmeldung bei einer kompetenten Stelle informiert. Das muß nicht unbedingt die Aktion Bildungsinformation sein. Auch die örtlichen Verbraucherschutzorganisationen, die Stiftung Warentest und die Industrie- und Handelskammern geben Auskünfte. Was hinter den bunten Hochglanzprospekten und schönen Versprechungen steckt, merkt der Sprachschüler erst vor Ort. Er hat zwar nach dem Reisevertragsrecht die Möglichkeit, dann auf die Einhaltung der versprochenen Leistungen zu drängen beziehungsweise Schadensersatz wegen Schlechterfüllung nach Beendigung der Reise zu fordern. Aber nur wenn der Sprachschüler hieb- und stichfeste Beweise über seine Beschwerden vorlegen kann, ist mit einem Erfolg zu rechnen. Auf jeden Fall rate ich, nur Angebote zu nehmen, wo die Leistungen zu jedem Angebot genau beschrieben sind und die Geschäftsbedingungen den Reisenden nicht unangemessen benachteiligen. Was die „schwarzen Schafe“ betrifft: Es gibt eine ganze Reihe davon und ich benenne auch Roß und Reiter während meiner täglichen telefonischen Beratungszeit.

Beim Durchblättern von Kleinanzeigen in Zeitungen und Stadtmagazinen hat man den Eindruck, daß so mancher clevere Oberstudienrat sein eigenes Sprachinstitut in Spanien betreibt.

Es existiert in der Tat ein Dschungel auf dem Sprachreisemarkt. Nicht durch die etablierten Sprachreiseveranstalter, die seit Jahren oder schon Jahrzehnten ihre Programme anbieten, sondern gerade durch die unheimliche Fluktuation von Neuanbietern, die auf den Markt kommen und bald wieder verschwinden.

Die ostdeutschen SchülerInnen müssen ja nun auch Englisch und Französisch in der Schule pauken. Wie ist denn ihr Interesse an Sprachreisen?

Letztes Jahr gab es einen regelrechten Run. Ich habe den Eindruck, daß das Interesse etwas nachgelassen hat. Vielleicht hat sich auch herumgesprochen, daß Sprachreisen doch nicht das Nonplusultra sind, um die schlechten Englischkenntnisse in der ehemaligen DDR in drei, vier, fünf Wochen auf Westniveau zu bringen. Aber gerade in Ostdeutschland tummeln sich einige dubiose Sprachreise- Anbieter, die sich geschickt tarnen.

Wie tarnen sie sich denn?

Wir beanstanden, daß Veranstalter auftreten, die sich hinter Kontaktadressen, Einzelpersonen und Vereinen verstecken. Es heißt: „Fordern Sie Informationsmaterial an.“ Dann folgen Name und Telefonnummer. Dahinter verbirgt sich jedoch meistens eine englische Sprachschule unbekannter Herkunft.

Man kann ja von Deutschland aus bei einem der über 60 Sprachreiseveranstalter eine organisierte Reise kaufen oder aber auf eigene Faust bei ausländischen Sprachschulen direkt buchen. Welche Variante ist denn von Vorteil?

Wenn man hier bei einem Sprachreiseveranstalter bucht, ist man versichert, weil zum Beispiel bei Schadenersatzansprüchen die deutsche Rechtsprechung gilt. Allerdings ist das Angebot an Sprachschulen, mit denen die Reiseveranstalter zusammenarbeiten, beschränkt. Bei Direktbuchung im Ausland kann man je nach Angebot mehr oder minder Geld sparen. Dafür ist das finanzielle Risiko höher. Denn es muß eine gute Schule sein und keine „Briefkastenschule“, also eine Schule, die möglichst noch da ist, wenn man ankommt. Unser Rat: Nach Möglichkeit sollte man, wenn man direkt bei einer Sprachschule im Ausland bucht, nur dort buchen, wo der volle Programmpreis am ersten Unterrichtstag bezahlt werden kann. Nicht daß von hier aus das ganze Geld drei, vier Wochen vor Reisebeginn ins Blaue hinein, ins Ausland geschickt werden muß. Außerdem sollte es sich um eine anerkannte Sprachschule handeln wie zum Beispiel in Großbritannien durch das British Council.

Zu den kommerziellen Sprachreiseanbietern gibt es ja noch andere, kostengünstigere Varianten, beispielsweise den guten alten Schüleraustausch, der in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen landesweit organisiert ist. Anderswo gibt es Schul- und Städtepartnerschaften. Nicht zu vergessen die große Zahl internationaler Begegnungen.

Ich halte diesen Austausch für sehr gut, weil er eben auf gleichberechtigter Gegenseitigkeit beruht: Ich nehme ein Kind auf, und du nimmst mein Kind auf. Dabei gibt sich jede Familie besonders große Mühe. Wenn man an einem derartigen Programm teilnehmen kann, ist das vor allem auch bedeutend billiger. Denn Sprachreisen sind alles andere als billig. 3.000 Mark für vier Wochen sind für viele Schüler und deren zahlende Eltern sehr viel Geld.

Barbara Engler ist Abteilungsleiterin für Sprachreisen bei der Aktion Bildungsinformation e.V. in Stuttgart.