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PRESS-SCHLAGExil mit Rückfahrkarte

■ Die Castro-Regierung will Kubas sportliches „Humankapital“ in Devisen verwandeln

Weltweiter Boom des kubanischen Sports!“ verkündet die Parteizeitung 'Granma‘ euphorisch ihren Leserinnen und Lesern. Die Rekordzahl von mehr als 600 kubanischen Trainern und Sportlern verdient sich in diesem Jahr ihren Lebensunterhalt im Ausland — ganz legal, die kubanischen Emigranten in Miami selbstverständlich nicht eingerechnet. Während die im vergangenen Jahr in Havanna groß in Szene gesetzten „Panamerikanischen Spiele“ noch deutlich auf das internationale Prestige der Insel abzielten, hat der nun gefeierte Sport-Export pragmatischere Ziele: Es geht schlechterdings um Dollars, um Deviseneinnahmen, die der seit dem Zusammenbruch der sozialistischen Verbündeten arg gebeutelte „Leuchtturm in der Karibik“ (E. Honecker, 1991) so dringend braucht.

Denn wo der Außenhandel der „Zucker-Insel“ ein in jeder Hinsicht katastrophales Bild bietet, versucht man nun verstärkt auch das zu Geld zu machen, was andernorts „Humankapital“ heißen würde: Kuba hat viel in die Entwicklung des Sports investiert, hat Know-how aus der DDR und der Sowjetunion in Sportler und Ausbilder hineingepumpt, ist im Boxen Weltspitze, hat eine starke Leichtathletik und ist im Nationalsport Baseball eine lateinamerikanische Großmacht.

Nur: Spitzensport kostet Geld, und nicht wenig. Technische Ausrüstung muß genauso importiert werden wie die medizinische Betreuung der Athleten Devisen verschlingt, Auslandsreisen zu Wettkämpfen sind zu finanzieren, und nur mit der offiziellen Lebensmittelration, wie sie allen Kubanerinnen und Kubanern zusteht, würde kaum ein Boxer über die er

ste Runde kommen.

Wenn Kubas Sportler und Trainer statt nach Ehre und Medaillen jetzt auf die Jagd nach Dollars geschickt werden, steht als Ziel das Zauberwort „Selbstfinanzierung des kubanischen Sports“. Ein Drittel der Auslandsverträge wurde mit Mexiko oder Venezuela abgeschlossen. Während in Barcelona Baseball erstmals als olympische Disziplin dabei sein und von vielen noch als Exotikum bestaunt werden wird, hat sich die italienische Baseball-Liga bereits mit 50 kubanischen Trainern und Schiedsrichtern versorgt. Doch wieviel bei all dem tatsächlich für das staatliche Sportbudget abfällt, bleibt Spekulation; Zahlen darüber werden nicht veröffentlicht.

Und vielleicht ist ja der Nebeneffekt auch wichtiger als die tatsächliche Höhe der Deviseneinnahmen: Ein Ventil zu schaffen, durch das Leute die Insel verlassen können, ohne sich gleich auf „die andere Seite“, zu den „Konterrevolutionären“ in Miami schlagen zu müssen. Denn wie Kultur oder Wissenschaft gehörte auch der kubanische Sport zu den über lange Jahre privilegierten Bereichen der Gesellschaft, in denen sich nun — in dem Maße, in dem der Staat diese materiellen Privilegien immer weniger aufrechtzuerhalten vermag — unübersehbar Unzufriedenheit breitmacht. Doch noch hat man einiges zu verlieren, noch regt sich kaum Protest; man setzt auf das Prinzip Abwarten. Und das kann man außerhalb sehr viel angenehmer und mit weniger Risiken. Was für die Künstler und Intellektuellen wie auch immer organisierte Stipendien sind, sind für Sportler die Auslandsverträge: Die Möglichkeit eines tolerierten „Exils mit Rückfahrkarte“. Bert Hoffmann

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