Rio: Eintragungen ins Kondolenzbuch

Die völlig unzureichende Klimakonvention zur Unterschrift freigegeben/ Österreich startet ergänzende Initiative: Möglichst viele Länder sollen freiwillige Zusatzverpflichtungen unterschreiben/ Töpfer wartet ab  ■ Aus Rio H.J. Tenhagen

Brasilien hat als erster, Australien hat auch schon, der Rest der Welt will noch, aber nur dann, wenn die Scheinwerfer strahlen: In Rio hat das Gerangel um die Prime-Time TV- Plätze für die feierliche Unterzeichnung der Konventionen begonnen. Präsident Fernando de Collor setzte am Donnerstag um 11 Uhr als erster seinen Namen unter die in den Vorkonferenzen ins Unverbindliche verwässerte Klimakonvention.

Die marginalen Sorgen ums Fernsehen plagen Bikenbau Paeniu, den Premierminister von Tuvalu im Südpazifik, nicht. Der Premier hat vielmehr mit den realen Problemen des Treibhauseffekts zu kämpfen. Sein Inselstaat, 26 Quadratkilometer Land inmitten von 1,3 Millionen Quadratkilometern Wasser, ragt maximal fünf Fuß (1,50 Meter) aus dem Ozean. Der Wasserspiegel steigt um zehn Zentimeter bis zum Jahr 2000, nagt an den Inseln und zerstört die wirtschaftlichen Aussichten: „Investoren kommen nicht nach Tuvalu, wenn Tuvalu ohnehin im Ozean versinkt.“

Die Zahl der Wirbelstürme nehme zu, sagt Paeniu, und der Inselstaat habe begonnen, mit seinen bescheidenen Mitteln Dämme zu bauen, um das Land zu schützen. „Wir wollen dort bleiben. Auch wenn jeder von uns 1.000 Acres (400 Hektar) Land in Australien angeboten bekäme, das wäre doch nicht das Gleiche.“ Paeniu ist verbittert: „Ich bin enttäuscht. Aber wenn es auf der Erde die Gerechtigkeit nicht gibt, irgendwo da oben werden wir nach unseren Taten als politische Führer gefragt werden.“ Und George Bush mache sich „schuldig“.

Jeremy Legget, Greenpeace- Berater der Inselregierung kritisiert die vorliegende Klimakonvention noch einmal drastisch. „Die internationalen Verhandler haben in die Klimakonvention das richtige Ziel hineingeschrieben, die Kohlendioxidemissionen zu ungefährlichen Levels zu senken. Sie haben dann beschlossen, überhaupt gar nichts zu tun, was dieser Herausforderung gerecht werden könnte.“

Die Zahlen belegen es. Der internationale Umweltverband „Friends of the Earth“ hat in Rio vorgerechnet, was die jetzige Konvention bringt: Selbst unter sehr optimistischen Annahmen liegt die Kohlendioxid-Konzentration mit der Konvention im Jahr 2100 doppelt so hoch wie heute und nur 16 Prozent unter den bei „business as usual“ zu erwartenden Werten. Der Meeresspiegel werde auch mit Konvention um mindestens 54 Zentimeter steigen.

Während er in Rio eine Minute rede, so Legget, würden zusätzlich 50.000 Tonnen CO2 in die Luft geblasen. „Das Gas heizt das Treibhaus noch an, wenn die Ur-Ur-UrEnkel meiner Tochter schon alt sind.“ Es müsse endlich was getan werden, so Legget. Die Isolierung der Amerikaner in dieser Frage sei „lang überfällig“.

Einige arbeiten daran. Allen voran die Umweltministerin Österreichs, Ruth Feldgrill-Zankel. Sie präsentierte endlich einen konkreten Vorschlag für das in Rio in aller Munde befindliche sogenannte „like-minded countries' agreement“. „Ich habe ein Initiative gestartet, um eine zusätzliche Klimaerklärung zu erreichen, die ein deutliches Signal der Bereitschaft der Industrieländer sendet, im ersten Schritt die Kohlendioxid-Emission bis 2000 auf dem Stand von 1990 zu stabilisieren. Ich hoffe, während dieser Konferenz viele Mitstreiter zu finden.“ Österreich wird die vorliegende „unzureichende Klimakonvention“ zwar unterschreiben, hält aber an seiner inhaltlichen Kritik fest. Feldgrill-Zankel an die Adresse der Amerikaner: „Ich hoffe, daß der Erdgipfel ihnen eine Möglichkeit zum Sinneswandel bei der Behandlung der CO2-Problematik bietet.“

Die Niederländer und die Schweizer haben Gleiches schon angekündigt, und auch der Premier von Tuvalu würde eine solche Erklärung im Gegensatz zur Klimakonvention gern unterschreiben. Ein Sinneswandel ist offenbar noch in der deutschen Delegation notwendig. Obwohl Bundesumweltminister Töpfer die Idee einer Zusatzvereinbarung zunächst selbst mit ins Gespräch gebracht hatte, zeigte er sich bisher unwillig, sich auf eine konkrete Erklärung festzulegen. „Wir sind schon ein ,like-minded country‘, wir brauchen es nicht zu werden.“ De facto tue die Bundesrepublik sowieso das Notwendige, um bis zur Jahrtausendwende unter den Kohlendioxid- Werten von 1990 zu bleiben. Der Minister mag in dieser Frage den Kopf nicht zu weit aus der Deckung ziehen, befürchtet wohl Schläge entweder aus Bonn oder aus Washington.