Japan entscheidet über Blauhelme

Gegen den Widerstand der Öffentlichkeit will Tokio Friedenstruppen nach Kambodscha entsenden  ■ Aus Tokio Georg Blume

Was die meisten JapanerInnen bis zuletzt für gefährlichen Unfug hielten, haben die Politiker nun doch durchgesetzt: Gestern, in den grauen Morgenstunden, verabschiedete die entscheidende Parlamentskommission Nippons umstrittenstes Gesetzeswerk der letzten Jahre: das Blauhelmgesetz. Eine endgültige Entscheidung des Parlaments soll in den nächsten Tagen folgen.

Die Ausführung des Gesetzes erlaubt es japanischen Soldaten zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, an Einsätzen im Ausland teilzunehmen. Die japanische Regierung plant, schon in den nächsten Wochen Soldaten zur Unterstützung der UN-Friedensmission in Kambodscha zu entsenden.

In Umfragen hatte sich bis zuletzt eine große Mehrheit der JapanerInnen gegen Einsätze japanischer Soldaten im Ausland ausgesprochen. Als Gründe dafür zitierten die meisten JapanerInnen die Erfahrungen ihres Landes im Zweiten Weltkrieg und den in der Verfassung verankerten Gewaltverzicht. Dem hielt die Regierung entgegen, daß Japan gezwungen sei, größere internationale Verantwortung zu übernehmen. Dafür sei die Beteiligung an Blauhelm- Missionen der UN unersetzlich.

Wie so oft, wenn ein Thema die konsensgewohnte Nation in zwei gegnerische Lager spaltet, drohte der demokratische Entscheidungsprozeß zeitweilig zu versagen. Achtzehn Monate währten die Beratungen im Parlament. Tumulte unter den Abgeordneten blieben nicht aus. Und noch immer verspricht die letzte Abstimmung im Tokioter Parlament Spannung genug: Sozialdemokraten und Kommunisten, die das neue Blauhelmgesetz für verfassungswidrig halten, drohen jetzt mit einem Abstimmungsboykott. Sollte es wider Erwarten in den nächsten Tagen nicht zu einem endgültigen Parlamentsentscheid kommen, hat die Regierung Neuwahlen angekündigt.

Dabei ist der Widerspruch der Oppositionsparteien am aktuellen Gesetzentwurf nicht spurlos vorbeigegangen. Das Gesetz ist heute alles andere als ein Blankoscheck für die Regierung. Jede einzelne Truppenentsendung, deren Zweck über die Besorgung von medizinischen Hilfsdiensten hinausgeht, bedarf in Zukunft der nochmaligen Zustimmung des Parlaments. Auch dürfen nicht mehr als 2.000 japanische Soldaten an einer Mission teilnehmen.

Schon im Herbst 1990, unmittelbar nach Ausbruch der Golfkrise, hatte das japanische Außenministerium ein neues Blauhelmgesetz vorgelegt, nachdem Kritik vor allem aus den USA gekommen war. Doch zweimal — im Winter 1990 und 1991 — scheiterte das neue Gesetz im Parlament. US-Außenminister James Banker forderte Japan danach auf, der „Scheckbuch-Diplomatie“ ein Ende zu setzen. Nippons Regierungspolitiker, in ihrer Ehre verletzt, ließen daraufhin nicht mehr locker, bis das Gesetz Ende Mai auch die Zustimmung von zwei kleinen Oppositionsparteien fand. Damit war die Verabschiedung auch in der zweiten Parlamentskammer, dem Oberhaus, gesichert, wo die Regierungspartei keine absolute Mehrheit hält. Das Unterhaus hatte den Gesetzentwurf bereits im letzten Dezember gebilligt.