Die wenig verkopfte, so schön bauchige Ost-Frau

■ Der Leipziger Sozialpsychologe Konrad Weller über das »Sexuelle in der deutschen Vereinigung«

Humboldt-Unversität. Die Nacht der deutschen Vereinigung am 3.Oktober 1990 krönte ein orgiastisches Feuerwerk. Die sexuellen Metaphern in der kollektiven Phantasie waren überdeutlich. Doch nicht darüber referierte auf der Volks-Uni der Sozialpsychologe Konrad Weller von der Leipziger Forschungsstelle der Gesellschaft für Sexualwissenschaft, auch wenn er selbst das Bild vom »femininen Osten« und dem »maskulinen Westen« teilte. Vielmehr ging es ihm um die Unterschiede im individuellen Sexualverhalten zwischen Ossis und Wessis — vor allem um die zwischen Ost- und West-Männern. Seine erste Grundthese: beide Staaten hätten seit 1945 mehr oder weniger parallel zueinander bis zum Ende der 60er Jahre eine Phase rigider Verzichtskultur und danach eine Phase sexueller Liberalisierung durchgemacht, die mit dem Aufkommen von Aids und der »partiellen Wiederkondomisierung« ab 1985 womöglich abgeschlossen sei. Trotz dieser Ähnlichkeit bestünden jedoch bis heute einige Unterschiede: während die porno- und prostitutionsgewohnten Westler eine »größere Sex-Variabilität« zeigten, lebten die Ostler in einer »größeren Bezogenheit auf den Partner«. Trotz des anfänglichen Runs auf die Sexshops würden sie immer noch weniger Pornos konsumieren als ihre westlichen Brüder. Auch seien die Ossis stärker auf Ehe und Familie fixiert, da die »Risiken einer Partnerschaft in der DDR geringer waren« und der »bindungsfähige Ost-Mann« noch nicht richtig begriffen habe, »was da an bürgerlicher Rechtsmasse über dem Koitus dräut«. Seine zweite Grundthese: weil die DDR-Frauen fast alle gearbeitet hatten und die Kinder versorgt gewesen waren, habe dort »ein geringeres Machtgefälle zwischen Frauen und Männern« bestanden. Doch nun würden die »eher symmetrischen Beziehungen« angesichts der Frauenarbeitslosigkeit »zu patriarchalischen« umdefiniert. Das früher in den Staatsorganen konzentrierte »strukturelle Gewaltpotential verteilt sich nun ‘demokratisch‚« in den Familien um, der Ossi werde »vom strukturellen Softi zum strukturellen Macho«. Mit dem Ergebnis, daß sich in ganz Deutschland das Geschlechterverhältnis erneut polarisiert. Wäre dieses neue Machtgefälle eine Erklärung dafür, warum sich unter den Ost- West-Paaren fast nur West-Männer mit Ost-Frauen zusammentun? Konrad Weller hob hier auf die kollektive Phantasie ab, daß die Ost- Frauen »was Besonderes«, »wenig verkopft und so schön bauchig« seien. Ein Mann im Publikum hatte jedoch eine andere Erklärung: »Kolonisatoren haben sich von jeher die Frauen des fremden Stammes genommen.« usche