Die »Besserwessi«-Frauen schwiegen

■ »Verständigungsschwierigkeiten zwischen Ost- und Westfrauen« — Podiumsdiskussion der Volksuni

Ein charmant-empörtes Statement der Moderatorin brachte die Podiumsdiskussion fast zum Schluß dann doch in Schwung. Doch für den angesprochenen »neuralgischen« Punkt blieb fast keine Zeit. Recht einseitig gestaltete sich die Diskussion der Berliner Volksuni zu den »Verständigungsschwierigkeiten zwischen Ost- und Westfrauen«. Die Ostfrauen (auf dem Podium: Christina Schenk, UFV-MdB; die Liedermacherin Barbara Thalheim und die Wissenschaftlerin Hanna Behrend) gaben die Richtung an.

Einerseits war dies wohltuend, andrerseits aber auch ein Zeichen für einen gestörten Austausch, der offensichtlich auf einem Komplex bei den Westfrauen angesichts der »Besserwessi«-Tour so vieler BRDlerInnen basiert. So schwiegen also die Westzuhörerinnen im übervollen Hörsaal an der Humboldt-Uni. Die auf dem Podium vertretenen Westfrauen, die Gewerkschaftlerin Ursula Schäfer und die Politikwissenschaftlerin Barbara Beck, verhielten sich übervorsichtig. Das war es, was die Moderatorin Ulrike Helwerth »persönlich unzufrieden« werden ließ. Sie wisse, daß Westfrauen sich ohne übertriebenen Stolz ans Revers heften könnten, bestimmte Strukturen aufgebrochen zu haben. Und zwar »durch eine permanente quälgeisterische Fragerei und dadurch, daß sie sich erlaubt haben, sich in alle gesellschaftlichen Strukturen einzuklinken und auch das strukturelle Gewaltverhältnis zwischen den Geschlechtern in allen Bereichen zu benennen«. Das sei zwar wenig, aber »immerhin ein wichtiger Bewußtseinsschritt«, von dem die Ostfrauen lernen könnten.

Die Stellung der »Sitzenbleiberin der Geschichte« im Fach »Frauenbewegung« nahm die Liedermacherin Barbara Thalheim unumwunden an, doch diskriminierende Strukturen habe sie in ihrem Leben noch nicht entdecken können — sie habe immer gemacht, was sie wollte. Christina Schenk dagegen polterte gegen den im Westen ihrer Meinung nach vorhandenen Konsens mit dem zutiefst patriarchalen System. »Es muß einen totalen Bruch mit dieser Gesellschaft geben, sonst ist bald Schluß«, beschwor sie die Frauen im Saal und forderte zum gemeinsamen politischen Kampf auf.

Ähnlich abstrakt blieben auch die anderen Thesen, die der Verständigung dienen sollten. Hanna Behrend schickte die Werte, geboren aus der langjährigen Erfahrung der Kollektivarbeit in der DDR, nur in einen vorübergehenden (Dornröschen-)»Schlaf«. Diese Werte, die in der DDR den Umgang miteinander bestimmten, sie seien nicht auf immer verloren — unklar blieb jedoch, wie diese Werte aussehen, was ihre »Ostspezifik« darstellt und wie sie den »Schlaf« überdauern sollen. Starker Beifall seitens der Ostfrauen, Schweigen seitens der Westfrauen.

Deutlich wurden in der Diskussion allerdings die grundsätzlich unterschiedliche Bedeutung der Erwerbsarbeit für Ost- und Westfrauen und der unterschiedliche Stellenwert der Frauenfrage. Was aber die unumstritten vorhandene Ost- und Westidentität ausmacht, das mußte und muß wohl ob der Vielschichtigkeit der Identitäten auf absehbare Zeit in vorläufigen Thesen zu Teilaspekten formuliert bleiben. Petra Brändle