Die „watchdogs“ kläffen

Attacken von rechts auf das öffentliche Fernsehen in den USA  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Jemanden als „Liberalen“ zu bezeichnen hat in den USA schon seit langem potentiell beleidigenden Charakter. In den letzten Jahren ist diese Zuordnung endgültig zum Schimpfwort verkommen, vor dem sich gefährdete Politiker vor allem im Wahljahr hüten müssen wie Camper vor einem Stinktier. Folglich handelte es sich um eine Anklage gewaltigen Ausmaßes, die da vor einigen Wochen Robert Dole, republikanischer Senator und eine Art Fraktionsvorsitzender seiner Partei, vor seinen Senatskollegen erhob. Ob irgendeiner aufzustehen und zu behaupten wagte, „das öffentliche Fernsehprogramm sei nicht liberal“.

Womit konservative Politiker die nächste Runde gegen „liberale“ Umtriebe eingeleitet hatten. Die Ziele waren gut gewählt — nicht irgendwelche freischwebenden Künstler, sondern Institutionen, die von öffentlichen Geldern abhängen. Zuerst war die „National Endowment for the Arts“ (NEA), eine staatliche Kunstförderstiftung, ins Schußfeld geraten — unter anderem, weil sie eine Ausstellung des schwulen Fotografen Robert Mapplethorpe gefördert hatte. Nachdem der Leiter der NEA seinen Posten geräumt und inzwischen durch eine Nachfolgerin mit sehr viel konformerem Kunstverständnis ersetzt worden ist, konzentrierten sich republikanische Politiker auf das öffentliche Fernsehen: den „Public Broadcasting Service“ (PBS) und die „Corporation for Public Broadcasting“ (CPB), jene Organisation, die Kongreßgelder an PBS und die über hundert angeschlossenen Fernseh- und Radiostationen im ganzen Land verteilt.

Der Vorwurf „liberaler“ Tendenzen bezog sich vor allem auf zwei Sendungen: Tongues Untied, einen Low-Budget-Film über das Leben schwarzer Schwuler, sowie Maria's Story, einen Dokumentarfilm über eine salvadorianische Guerillera. Pat Buchanan, rechter Konkurrent von George Bush, brandmarkte Tongues Untied als „pornographisch und blasphemisch“, und Republikaner im Senat traten mit Studien einer Gruppe sogenannter „Media Watchdogs“ aus konservativen „think tanks“ wie der „Heritage Foundation“ an. 1967 war PBS durch ein Gesetz ins Leben gerufen worden, um eine nichtkommerzielle Alternative zum Privat-TV zu bieten. Diese Aufgabe, so befand die „Heritage Foundation“, werde inzwischen längst durch private Kabelanbieter wahrgenommen. PBS sollte sofort verkauft werden „an jeden, der es haben will— ob BBC oder Ted Turner“.

Die PBS-feindliche Lobbyarbeit zeigte Wirkung: Anfang März legte der Senat den Haushaltsposten für CPB in Höhe von 1,1, Milliarden Dollar — veranschlagt für die Jahre 1994 bis 1996 — auf Eis. Änderungsanträge sahen eine Kürzung der Mittel um 400 Millionen Dollar vor. Zwar machen CPB-Gelder bei den öffentlichen Stationen nur rund 17 Prozent des Gesamthaushalts aus (der Rest wird durch Spenden, Beiträge der Bundesstaaten und Koproduktionen bestritten), doch diese 17 Prozent sind der „zentrale Baustein für die meisten Stationen“, sagt Raymond Ho, leitender PBS-Programmdirektor in Maryland.

Die finanzielle Attacke auf PBS wurde vorerst abgewehrt: Mit 75 zu 22 Stimmen genehmigte der Senat letzte Woche den CPB-Haushalt für 1994 bis 1996. Doch für diesen Preis mußte das öffentliche Fernsehen politische Zugeständnisse machen: „Unanständige Programme“ dürfen nach dem Willen des US-Senats nur noch zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens gesendet werden. Sendungen wie Tongues Untied werden deshalb, wenn überhaupt, nur noch denkbar schlechte Sendeplätze erhalten. Die Angriffe auf PBS, die laut Jennifer Lawson, Vizepräsidentin von PBS, „nichts Neues sind, aber noch nie so massiv waren“, sind damit längst nicht zu Ende. Am 24.Juni ist der Film The Lost Language of Cranes angesetzt, die Geschichte eines Vaters, der seinem Sohn über Jahrzehnte verschweigt, daß er homosexuell ist. Da werden die „watchdogs“ wieder kläffen.