Artenschutz: Washingtons diplomatisches Waterloo

■ Zahlreiche Länder haben die Konvention bereits unter- zeichnet, die USA sind durch ihren Verhandlungspoker isoliert

Ein wenig Hoffnung für Tier und Mensch: Die Artenschutz-Konvention, die nach dem Widerstand der US-Regierung zu wackeln schien, ist in den letzten Tagen von einer nicht unbedeutenden Anzahl von Ländern unterschrieben worden. Die Konfrontationsstrategie der Bush-Regierung ist gescheitert: Nach dem brasilianischen Präsidenten Fernando Collor, der, wie schon bei der Klimakonvention, den Anfang machte, unterzeichneten auch Indien und Indonesien. Diese Länder beherbergen große Teile der Regenwälder mit ihrer großen Artenvielfalt. Das von 101 Regierungen ausgehandelte 24-Seiten-Abkommen soll weltweit den Schutz der Millionen Tier- und Pflanzenarten vor allem in den Ursprungsländern sichern und die gentechnische Nutzung der Artenvielfalt regeln. Insbesondere die Länder des Südens, die einen großen Teil der Artenvielfalt des Planeten beherbergen, sollen mit Geld und Technologietransfers für einen Schutz dieser Arten gewonnen werden.

Der brasilianische Präsident appellierte bei der feierlichen Unterzeichnung noch einmal indirekt an die Adresse der USA, am Schutz der Artenvielfalt dürften sich die Geister nicht scheiden. Die Konvention war bei den Verhandlungen in Nairobi zwar auf Drängen der USA verwässert worden. Dennoch sei sie „ein Anfang, mit dem man arbeiten kann“. Von den Industriestaaten hatten am Wochenende nur Japan und Großbritannien noch nicht definitiv zugesagt. Das Vertragswerk scheint damit gesichert, die Konvention tritt aber erst 90 Tage, nachdem wenigstens 30 Länder sie unterschrieben und ratifiziert haben, in Kraft.

Die Amerikaner läßt die Entwicklung der vergangenen Woche politisch und diplomatisch isoliert zurück. Interne Auseinandersetzungen in der US-Regierung verstärkten die Einsamkeit ihrer Unterhändler noch: Der amerikanische Delegationsleiter, Umweltbehördenchef William Reilly, hatte in letzter Minute den vergeblichen Versuch gemacht, durch Taktieren mit den Brasilianern auch die USA in den Artenschutz- Kompromiß einzubinden. Der Versuch wurde öffentlich, als das Weiße Haus den Regierungsökologen zurückpfiff, und gleichzeitig Reillys vertrauliches Memo an Clayton Yeuter, Bushs innenpolitischen Chefberater, an die Öffentlichkeit gelangte.

In dem als „confidential“ eingestuften Memo weist Reilly Washington noch einmal auf die Prügel hin, die die USA derzeit in Rio beziehen: „Die Weigerung der USA, die Artenschutz-Konvention zu unterschreiben, ist für die Presse und die Delegierten hier das Thema.“ Die in dem Memo verlangten Veränderungen zielen auf Kernpunkte der Konvention. Verändert werden sollte der Artikel19. Der sieht vor, daß den Ländern, aus denen das Genmaterial für biotechnologische Produkte kommt, „eine effektive Teilnahme an der biotechnologischen Forschung“ zusteht. Nach den amerikanischen Vorstellungen sollten den betroffenen Ländern aber nurmehr „Möglichkeiten für eine effektive Teilnahme an der biotechnologischen Forschung“ eingeräumt werden. Und in Artikel21 sollte die entscheidende Finanz-Passage ersatzlos gestrichen werden. Die unterzeichnenden Länder müssen sich danach regelmäßig auf die notwendigen Summen zur Finanzierung der Konvention einigen; bei diesen Treffen haben die Entwicklungsländer vermutlich künftig die Mehrheit.

Bush-Berater Yeuter und das Weiße Haus waren nicht mal bereit, selbst eine zur Unkenntlichkeit verdünnte Konvention zu erwägen: George Bush verteidigte am Sonntag die Haltung seiner Regierung auf dem Gipfel in Rio. Zu seiner Weigerung, das geplante Artenschutzabkommen zu unterzeichnen, sagte der US-Präsident: „Ich muß mich für nichts entschuldigen.“ Die Konvention „kostet zu viele Amerikaner den Job“. Und Yeuter hatte in den vergangenen Jahren als Landwirtschaftsminister für die USA immer beinharte Freihandelspositionen im Rahmen der GATT-Verhandlungen vertreten. GATT und UNCED konkurrieren um die Regelung des internationalen Handels. GATT setzt auf völligen Freihandel, während auf dem UNCED-Gipfel in Rio Zweifel an den allein selig machenden Kräften des Marktes bestehen.

Europäische Gipfeldiplomaten und Umweltlobbyisten aus den USA waren sich einig, daß die Episode auch die Verhandlungsposition Reillys in Rio weiter verschlechtert. „Da ist dieser Mann der Leiter der amerikanischen Delegation, und dann lassen die ihn aussehen wie einen Idioten“, regt sich Aldon Meyer von der Wissenschaftlerorganisation „Union of Concerned Scientists“ auf. Diplomaten stellten die Frage, ob eine Delegation, deren Leiter von der eigenen Regierung zurückgepfiffen wird, überhaupt verhandlungsfähig ist. Reilly selbst reagierte auf erste Rücktrittsforderungen nur mit zusammen gekniffenen Lippen: „Ich werde nicht zurücktreten.“ Hermann-Josef Tenhagen