Verheißung: Brigitta Nickelsen!

■ ... Wenn der herzigste aller Kirschmünder aus der blauen Weltkugel auftaucht

Gestern nachmittag. Ein Anruf von Kim Basinger: „Hast Du heute abend Zeit für mich? Ein Esen bei Kerzenschein. Hinterher ein Spaziergang im Mondlicht. Es könnte die Nacht werden. Unsere Nacht...“ — „Heute abend? Nein. Heute abend nicht. Leider. Heute abend moderiert Brigitta Nickelsen in Buten & Binnen. Und danach seh ich mir zehnmal die Videoaufzeichnung davon an. Tja.“ Es war hart für Kim Basinger. Echt hart. Der Augenblick, in dem eine große Hoffnung zerbricht.

Es gibt Frauen, die einen Bürgermeister dazu bringen können, mit einem McBacon einen Fettfleck an die Decke der oberen Rathaushalle zu werfen. Und das hat mit ihrem Singen die Loreley getan. Bremen hat seine eigene Loreley. Sie heißt Brigitta Nickelsen. Sie sitzt vor einer Kamera und zeigt ihr goldenes Haar. Ihr güldnes Geschmeide blitzet im Bildschirm wunderbar. In der ersten Reihe ist es diesmal wirklich aufregend.

Vergessen sind die Tage, in denen Buten & Binnen eine Reklamesendung für Geheimratsecken war. Vergessen die Tage, in denen die Drei Damen vom Grill das einzige an prickelnder Erotik im ARD-Vorabendprogramm waren, was das Aufbleiben lohnte. Jetzt rollen schwere Perlen der Sinnlichkeit vom TV-Gerät, wenn der herzigste aller bekannten Kirschmünder aus der bläulichen Weltkugel auftaucht. Man stutzt: Schmollt sie heute? Ist sie von den Wirren der Zeitläufte verstimmt? Nein: Sie lächelt ihr verzeihendes Lächeln. Dieses Lächeln ist kein wirkliches. Es ist eine Ahnung von einem Lächeln, feengleich verflogen wie ein Hauch „Tosca“ an einem Döner- Strand und lieblich wie frischer Schnittlauch auf einem Mehrkorn-Quarkbrötchen.

So muß Marlene Dietrich gelächelt haben, als Emil Jannings ihr bei den Dreharbeiten zum „Blauen Engel“ ein Stück Zucker zuviel in den Kaffee getan hat. So muß Hella von Sinnen gelächelt haben, als man ihr mitteilte, daß sie niemals Werbeaufnahmen für American Express-Anzeigen machen wird. So muß Helmut Kohl gelächelt haben, als er noch einen Duplo in seiner Schreibtischschublade fand. So. Oder Besser: So ähnlich. Dennn alles Lächeln dieser Welt ist gegen das Nickelsensche nur ein Approximativlächeln. Wer war Mona Lisa? Brigitta Nickelsens Lächeln ist das Mon Cherie unter den Rheila- Perlen. Es ist der Beweis, daß Holdseligkeit niemals medientauglich ist. Es ist die Einlösung aller Versprechen, die Grete Weiser jemals gegeben hat.

Ihr güldner Reif hängt von ihrem rechten Ohr herab. Das Geschenk eines entflammten Sultans? Oder vielleicht doch Silvester Stallone? Roland Kaiser? Hat sie heute nicht diesen geheimnisvollen, wissenden Blick einer liebenden Frau? Diese dunkle Verfärbung am elfengleichen Hals, das ist doch...

Fort mit den blöden Gedanken. Denn sie kündigt einen politischen Beitrag an. Ernst. Das Lächeln ist verschwunden. Strafend formt sie die Lippen zu einem Mega-Schmollen, und wehe dem Parteikreischer, dem es gilt. Kleine, zornige Falten bilden sich an ihrer politikumwölkten Nasenwurzel, und wehrhaft sticht die blonde Strähne in die Studio- Luft. Aha! Kudella! Wir verstehen. Kudella hat den Zauber ihres Lächelns vertrieben. Schnöde.

Aber das Lächeln kommt wieder. Aus Bassum gibt es etwas Lustiges zu berichten. Das muß gebührend angekündigt werden. Wir lehnen uns zurück. Brigitta Nickelsen strahlt. Ach, das kleine Rosane, wie gut es ihr steht. Und wie blond sie ist. Schätze Dich glücklich, Claudia Schiffer, daß Du nie mit ihr verglichen wirst. Wie ein Skalpell in der Maisonne blitzt es aus Brigittas Augenwinkeln, bricht sich auf der gläsernen Wohnzimmer-Tischplatte, zerteilt sich in der Obstschale in die Spektralfarben und sprüht kleine Regenbogen auf die Rauhfasertapete. Gottlob ist die nicht abwaschbar.

Brigitta zeigt uns ihr wohlwollendstes Schmollen. Ein heiteres, gütiges Schmollen, mit dem wahrhaft großmütige Frauen von ihrem Gatten eine selbstgestrickte Pudelmütze entgegennehmen, wenn sie sich einen Pelzmantel gewünscht hätten. Brigitta kündigt östliche Musikanten an. Kaskaden der Verheißung brechen sich Bahn aus schelmischen Augen. Sie neigt den Kopf. Verzückung herrscht im Ashram des Brigittophilen.

Aus. Buten & Binnen ist aus. Ernüchternd poltern die Akkorde von „Herz und Mund und Tat und Leben“ in die weihevoll gestimmte Stube. Das Telefon klingelt. Ich geh nicht ran. Bestimmt wieder nur Kim Basinger. Oder vielleicht...

Lutz Wetzel