»Grüngürtel« durch die Innenstadt?

■ Baustadträte der City-Bezirke wurden bisher meist von AL, Bündnis 90 und SPD gestellt/ Nach gutem Wahlergebnis steigen deren Chancen weiter/ »Moralisches Anrecht« auf Bürgermeisterposten

Berlin. Gute Chancen haben die Berliner Grünen nach ihrem Wahlsieg, in mehreren Innenstadtbezirken den vergleichsweise einflußreichen Posten des Baustadtrats zu bekommen. Denn gerade in den yuppisierten City-Bezirken haben Grüne oder Bündnis 90 besonders zugelegt. In Kreuzberg etwa trennen sie gar nur knappe 200 Stimmen von der Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung. So ist denn auch die Anspruchshaltung der grünen Bezirkspolitiker gewachsen.

Derzeit stellen AL und Bündnis vier Baustadträte in Berlin: in Kreuzberg amtiert mit Erika Romberg bereits die dritte AL-Baustadträtin, in Wilmersdorf hat das Amt Uwe Szelag inne, in Prenzlauer Berg regiert Matthias Klipp vom Bündnis 90 und in Mitte die parteilose Dorothee Dubrau für das Bündnis. Nachdem auch die SPD-Baustadträte der Innenstadtbezirke, Claus Dyckhoff aus Charlottenburg, Uwe Saager aus Schöneberg und Horst Porath aus Tiergarten, eher dem linken Flügel ihrer Partei zugerechnet werden, hatte es schon vor den Bezirkswahlen genügend Ärger mit der großen Koalition im Senat gegeben. Sind Baustadträte doch zuständig für eine ganze Reihe von Reizthemen: Tempo-30-Zonen, verkehrsberuhigte Straßen, baulicher Unterhalt öffentlicher Gebäude wie Schulen oder Kitas, leerstehende Häuser, Zweckentfremdung von Wohnraum und vor allem für Baugenehmigungen, vom Hochhaus bis zum Dachgeschoß. Aber auch Bebauungspläne, Erhaltungssatzungen und Bürgerbeteiligungsverfahren fallen in die Zuständigkeit der Bezirksbaustadträte, was gerade in den »Hauptstadtbezirken« Tiergarten und Mitte in den nächsten Jahren im Vordergrund stehen wird.

In Tiergarten, wo die AL 25,2 Prozent der Stimmen erreichte und damit nur knapp unter der CDU (28,9 Prozent) und der SPD (29,1 Prozent) liegt, verlangt die Partei unter Berufung darauf, die eigentliche Wahlsiegerin zu sein, den Posten des Bürgermeisters, für den der altlinke Rechtsanwalt Christian Ströbele sich zur Verfügung stellt. Sollten sich die anderen Parteien nicht darauf einlassen — was zu erwarten ist —, so gibt es in der Tiergartener AL eine starke Strömung, die dann den Baustadtrat stellen möchte, erläutert die Graue Eminenz der Tiergartener AL, Gerald Schäfer, der betont, selbst keine Ambitionen auf dieses Amt zu haben.

Wer wird Bürgermeister von Tiergarten?

Der Posten wird wahrscheinlich ohnehin vakant: Die SPD will zwar wieder Wolfgang Naujokat zum Bürgermeister machen, kann dann aber nur noch einen weiteren Stadtrat stellen. Nachdem die Partei einen Quotierungsbeschluß gefaßt hat, dürfte der — ja männliche — Horst Porath nicht mehr Stadtrat werden. Zwar hat der jetzige Sozialstadtrat der CDU, Dieter Ernst, ein Auge auf das Amt geworfen, ob er jedoch eine Mehrheit in der BVV dafür bekommt, ist fraglich.

Auch ob sich der Wilmersdorfer AL-Baustadtrat Uwe Szelag hält, ist noch nicht sicher: Der CDU ist der Grüne ein Dorn im Auge. Tatsächlich legten die Christdemokraten im Witwen-Bezirk zu, wenn auch nur von 39,5 auf 40,5 Prozent. Da jedoch außerdem die FDP in die BVV einrückte, hat die CDU dort weniger Sitze als bisher, so daß SPD, FDP und AL sich sogar überlegen, den CDU-Bürgermeisterkandidaten Horst Dohm bei der Wahl abblitzen zu lassen — was rechtlich allerdings schwer möglich ist. Auch die CDU hätte Interesse am Amt des Wilmersdorfer Baustadtrates. Im Gespräch ist ihr bisheriger Fraktionsvorsitzender Dietrich Maes.

Der Baustadtrat von Prenzlauer Berg, Matthias Klipp, wurde zwar vom Bündnis wieder nominiert, ob die anderen Parteien ihn mittragen werden, ist auch dort noch nicht sicher. Schon während der ablaufenden Legislaturperiode hatte die SPD mit dem Amt geliebäugelt. Nun heißt es, die CDU trage sich mit dem Gedanken, den Baustadtrat zu stellen. Allerdings kommen beide Parteien am Bündnis mit seinen 18,1 Prozent der Stimmen — 5 Prozent mehr als das letzte Mal — nicht vorbei.

In Mitte hingegen hat das Bündnis zwar um 2 Prozent auf 16,1 Prozent zugenommen. Da jedoch die Ost-Bezirksämter nun auch nach Proporz gebildet werden und nicht nach politischen Mehrheitsverhältnissen gewählt, steht dem Bündnis nur noch ein Stadtrat zu, während es bei der letzten Wahl mit der Unterstützung der PDS fast alle Posten besetzen konnte. Ob dieser eine Stadtratposten nun gerade an die parteilose Baustadträtin Dubrau geht, darf man bezweifeln. Womöglich kann sie jedoch mit dem Ticket einer anderen Partei ihre Politik der offensiven Bürgerbeteiligung fortsetzen.

In Kreuzberg steht die bisherige Amtsinhaberin Erika Romberg wieder zur Verfügung, während weder SPD noch CDU einen ausgewiesenen Experten für dieses Amt haben — vom frischgebackenen Sozialdemokraten Volker Härtig mal abgesehen, für den es aber vermutlich in der eigenen Partei keine Mehrheit geben dürfte, zumal übrigens auch die Kreuzberger SPD einen Quotierungsbeschluß hat. Allerdings sind die Verhandlungen zwischen AL und SPD, die sich in Kreuzberg nicht so recht grün sind, »noch nicht in Gang gekommen«, meint eher ergrimmt der SPD-Bürgermeisterkandidat Peter Strieder. Auch in Kreuzberg meint die AL, das moralische Anrecht auf den Bürgermeister zu haben.

Rote und Grüne gemeinsam

Näher stehen sich die Roten und die Grünen in Schöneberg, wo der langjährige Baustadtrat der SPD, Uwe Saager, zum Bürgermeister aufrücken wird. Ein Nachfolger sei unter Schönebergs Sozialdemokraten nicht in Sicht, meinte Saager, so daß man nicht abgeneigt sei, das Amt der AL zu geben. Im Gespräch dafür ist die baupolitische Sprecherin der AL im Abgeordnetenhaus, Elisabeth Ziemer. Aber, so meint Saager, die SPD könne ja auch einen Parteigenossen nominieren, der das Amt in einem anderen Bezirk abgeben muß.

So jemand könnte möglicherweise Claus Dyckhoff sein, Baustadtrat von Charlottenburg, der sicheren Quellen zufolge von seiner eigenen Partei nicht in dem Maße mitgetragen wird, wie dies zur Weiterführung dieses Amtes wünschenswert wäre. So erregte Dyckhoff den Zorn des in der SPD nicht ganz einflußlosen Bausenators Wolfgang Nagel, unter anderem, weil er die Baugenehmigung für ein umstrittenes Hochhaus am Bahnhof Zoo nicht erteilte.

Aber auch zwischen der Grauen Eminenz der Charlottenburger SDP, Rudi Kujath, und Dyckhoff, einem aufrechten ehrlichen Linken, soll es Differenzen geben. Kujath selbst, heißt es, habe jedoch keine Ambitionen auf das Amt, da er mit seinen Posten als Abgeordneter und Berater der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain mehr als ausgelastet sei. Eva Schweitzer