Plattenbaukids zertrümmern Kita

■ In Hellersdorf wurde über Pfingsten eine Kita auseinandergenommen/ Täter: vier Sechs- bis 13jährige/ Opfer: 30 Fische/ Die desolate Lage Kinder und Jugendlicher in dem Bezirk ist bekannt

Hellersdorf. Fröhliche Pfingsten in der Großsiedlung! Vier Hellersdorfer Kids bastelten sich am Wochenende ihren eigenen Spielplatz — und verwüsteten eine komplette Kindertagesstätte mit über 200 Plätzen. Drei Geschwister zwischen neun und dreizehn Jahren drangen mit einem sechsjährigen Freund am Samstag abend vermutlich durch ein offenes Fenster in die Kindertagesstätte am Havelländer Ring ein.

Bis sie am Montag abend von einem Putzmann aufgescheucht wurden, hatten sie 20 Gruppenräume, Büros und Flure für sich und räumten dort ordentlich auf: Die Kids zertrümmerten Gläser und Flaschen, nahmen eine Stereoanlage auseinander, warfen Spielsachen auf den Boden und schmierten Negerküsse an die Wände. Außerdem setzten sie die Sporthalle vollständig unter Wasser. Die einzigen Zeugen der kindlichen Zerstörungswut wurden außer Gefecht gesetzt. Nur zwei besonders hartgesottene Fische überlebten die Anreicherung ihres Aquariumwassers mit Reinigungsmitteln — 30 verendeten.

Als der 28jährige Mario L. die Kids am Montag abend überraschte, glich die Kita einem Schlachtfeld. Herbeigerufene Polizeibeamte brachten die Kinder nach Hause und fanden dort noch zwei Radiorecorder aus der Kita.

Abgesehen von elterlichen Erziehungsmaßnahmen drohen den Kindern keine Konsequenzen: Sechs- bis 13jährige Straftäter sind im Jugendgerichtsgesetz nicht vorgesehen. Nachdem die ErzieherInnen Montag nacht aufgeräumt hatten, fand der Kita-Betrieb gestern wieder planmäßig statt. Der Hausmeister blieb gelassen. Viermal sei in den vergangenen Jahren eingebrochen worden, erzählt er. Mal fehlten 20 Fruchtzwerge, dann ein paar Stifte, dann wieder gar nichts. »Ich weiß auch nicht, was in den Köpfen vor sich geht.«

Die Motive der kleinen Zerstörer sind noch unbekannt. Bekannt ist nur die desolate Lage Kinder und Jugendlicher in dem Bezirk. Den über 30.000 minderjährigen Hellersdorfern stehen 19 öffentliche Spielplätze und acht Jugendclubs zur Verfügung. Kein Schwimmbad, kein Kino in erreichbarer Nähe.

Auf einer Tagung zur »Jugendarbeit in der Großsiedlung« waren sich im vergangenen Monat alle einig, daß etwas getan werden müsse — nur Geld gebe es leider keines. Daß die »Architektur Hellersdorfs Aggressivität fördert«, berichtete damals auch German Meneses, Amtsleiter der Jugendförderung. Insbesondere bei den zwölf- bis 14jährigen »Lückekindern« sei ein Aggressionspotential erkennbar.

»Wenn keine Spielplätze da sind, toben sie sich eben in der Kita aus«, kommentierte ein Sprecher von Jugendsenator Thomas Krüger gestern lakonisch den Vorfall. Daß Kinder dieses Alters in eine Kita einbrächen, sei allerdings bisher nicht vorgekommen. »Wir stehen dem ziemlich hilflos gegenüber und hoffen, daß es ein Einzelfall bleibt.« jgo