Drogen

■ betr.: "Das 'Image' der Drogen nicht aufbesern", Kommentar von Bernardo D'Onofrio, EUROTAZ vom 3.6.92

betr.: „Das ,Image‘ der Drogen nicht aufbessern!“, Kommentar von Bernardo D'Onofrio,

EUROTAZ vom 3.6.92

So einfach ist das, jedenfalls für Bernardo D'Onofrio: „Gerade als ehemals Süchtiger bin ich sicher, daß ich seinerzeit nicht Konsument geworden wäre, hätte es die Androhung von Gefängnis gegeben.“

Eigentlich sollte man von einem ehemals Suchtkranken erhoffen („erwarten“ schreibe ich schon gar nicht mehr, die Erfahrungen sind zu ernüchternd) können, daß er ein wenig zur (eigenen) Sucht reflektiert. Die Sucht ist schließlich kein Resultat von Abenteurertum und Mutprobe, dem man mit drakonischen Strafen beikommen könnte. Das jeweilige Suchtmittel dient zur Kompensation von eigenen Schwächen, Verdrängungen, Ängsten. Die brechen sich irgendwann ihre Bahn, egal ob da Strafe droht oder nicht, das „Lösungsmittel“ muß her! Droge, Alkohol oder sonst was — Hilfe bringen „Verbot und Strafandrohung“ keineswegs, es gibt bisher nur Realitäten dagegen. [...] Kurt S.Denkena, Bremen

betr.: „Umgang mit Drogen“

Entkriminalisierung oder ewige Verfolgung? Rauschgiftkriminalität und Beschaffung als Konsequenz der bisherigen Drogenpolitik. Am Anfang stand die Legalisierung von Nikotin und Alkohol und der damit verbundene Kontrollverlust vieler. Drogen sind falsch, keine Frage. Deswegen macht falsche Politik sie auch nicht richtiger.

Ist es richtig, Milliarden für hohlgesoffene, kreislaufbehinderte Alkohol- und Nikotinkranke zu verprassen? Unseren Kindern vorzugaukeln und werbetechnisch zu suggerieren, Alkohol und Nikotin wären gesünder weil legal? Wir brauchen eine offene, ehrliche und zukunftsorientierte Drogenpolitik. Konsequent.

Obliegen nicht die Gesundheit gefährdenden Stoffe der Kontrolle des Staates? Verbot von Alkohol und Nikotin oder die Freigabe harmloserer Drogen. Schluß mit dem Ammenmärchen, Haschisch und Marihuana wären Einstiegsdrogen, würden gespritzt werden, verrückt oder lasch machen. [...]

Wer Hasch und Marihuana benutzen will, ist oft gezwungen, aufgrund der gemeinsamen Illegalität, es auch mit Benutzern harter Drogen zu tun zu haben. Die jahrelange Untätigkeit und das „Hände über den Kopf schlagen“ vieler Verantwortlicher fordern ihren Tribut.

Verwunderlich ist nur die große Verwunderung, über die immer unübersichtlicher werdenden Verhältnisse, welche von der bisherigen Drogenpolitik in großem Umfang provoziert wurden. [...]

Nur wer sich der Lage ausreichend bewußt ist, ist in der Verfassung, der Nachwelt ein gesundes, suchtfreies Leben zu ermöglichen. Die bisherige inkonsequente Drogenpolitik hat es geschafft, ein fast unzerstörbares Geflecht von Angst, Unsicherheit und Widerspruch in den Köpfen unserer Kinder zu hinterlassen. Peter Schniebs, Braunschweig

betr.: „Law and order oder Recht auf Rausch?“

Die Berichterstattung aus dem Europaparlament macht wieder einmal deutlich, wie wenig Sachkenntnis gerade im Zusammenhang mit der Drogenproblematik bis zu Institutionen vordringt, die entscheidende Weichen stellen sollen. Nicht verwunderlich ist die Diskrepanz zwischen der Empfehlung des Untersuchungsausschusses und der Parlamentsmehrheit. Bei der Diskussion um (partielle) Drogenfreigabe geht es ohnehin nur vordergründig um die Frage, über welche gesetzes- und sozialtechnischen Wege man am ehesten Drogenabhängigkeit reduzieren kann, wo doch im „Hintergrund“ unausgetragene Positionskämpfe gegenüber — zumindest vermutet — gegenkulturellen Einstellungen, welche „die Droge“ symbolhaft steht, gären. Dieser Zustand erscheint wegen der zugrunde liegenden Eigengesetzlichkeit nicht prinzipiell änderbar.

Geradezu grotesk ist aber die Maßgabe, die Rauschgiftnachfrage durch eine „,ausdauernde und umfassende Kampagne‘ zur Aufklärung der Suchtgefahren besonders in den Schulen“ zu verringern. Schon ein Blick auf Werbestrategien im allgemeinen zeigt — ein bizarres Beispiel neueren Datums ist die Benetton-Variante — daß Öffentlichkeitspräsenz bis hin zur Antiwerbung immer auch Werbung ist; weswegen zum Beispiel jeder Versuch, einen Anti- kriegsfilm zu produzieren, ambivalente Rezeptionen und Reaktionen provozieren muß. Noch darüber hinaus ist gerade in der Drogenproblematik die Auffassung, eine flächendeckende „Aufklärung“ als solche könne etwas Positives bewirken, nur noch auf der Folie einer völlig naiven Sichtweise pubertärer und adoleszenter Entwicklung hin zu deviantem Verhalten zu verstehen, wie sie diversen publizierten einschlägigen Schauergeschichten unausgesprochen unterlegt sind: Das heranwachsende Kind entwickelt sich allseits zur Freude der treusorgenden Eltern. Würde nichts von außen in dieses Idyll hereinbrechen, der Weg in eine gediegene bürgerliche Karriere wäre unaufhaltsam. Da wird — vorzugsweise durch Elemente fragwürdiger ethnischer beziehungsweise weltanschaulicher Provenienz — heimtückisch die Droge mit verlockenden Versprechungen an den hoffnungsvollen Nachwuchs herangetragen. Und da sie nicht wußten, was sie taten, nahm das Unglück seinen verhängnisvollen, zwangsläufig ruinösen Verlauf.

Wenn man sich schon der Einsicht verschließt (verschließen muß), daß — gerade unter der Prämisse der drogenfreien Existenz als politischem Ziel! — die Einflußmöglichkeiten auf die Struktur der Nachfragerseite begrenzt sind, wenn man davon ausgeht, daß der Gesellschaft als ganzer keine neue, stärker autoritär-repressive Struktur unterlegt werden soll (was es zum Beispiel verunmöglicht, die Medien wirksam zu disziplinieren), sollte man doch wenigstens den gefährlichen Unsinn einer sozusagen flächendeckenden Primärprävention über beabsichtigte Antiwerbung unterlassen. Ein derartiges Unterfangen wird bestenfalls — beim ohnedies nicht gefährdeten Potential, das nach wie vor durch, verkürzt gesprochen, diffus deviantes Gebaren charakterisiert ist, schlimmstenfalls zusätzliche Stimuli liefern. Ein Unterlassen der Werbekampagne würde auch vermeiden, daß ein Großteil der Gelder für Drogenhilfe in der Plakat- und Broschürenherstellung versickert. Die sicherlich kostenaufwendige einschlägige Aktion „Sportler gegen Drogen“ kann, neben dem Umstand, daß sich die Werbeträger nunmehr mit dem Button besonderer moralischer Dignität schmücken können, nur den Effekt gehabt haben, daß so manche Schülerbude durch das Bild des psychedelischen Lothar verschönt wird. Lutz Klein, Dipl.Soziologe, Marburg