PORTRAIT
: Mit missionarischem Eifer

■ Ebulfez Elcibey, Präsident Aserbeidschans, will Demokratisierung und „evolutionären Prozeß“

Ebulfez Elcibey, der Wahlsieger bei den aserbaidschanischen Präsidentschaftswahlen erinnert mehr an einen dozierenden Hochschullehrer, denn an einen Politiker. „Demokratie“ und „Unabhängigkeit Aserbaidschans“ sind seine Lieblingswortpaare. Der Historiker und Orientalist kann stundenlange Vorträge über die Vorzüge der pluralistischen Demokratie, der Hoheit des Rechtsstaates und die Bedeutung der Individualrechte halten. Und es ist nicht nur billiges Politikergeschwätz. Missionarischer Eifer ergreift den Nationalisten, der wegen seiner politischen Auffassungen einst in Arbeitslager und Gefängnis einfaß, wenn er die konkreten Schritte anführt, die die Demokratisierung vorantreiben sollen. „Der alte Staat war ein Ausbeutungsapparat der Russen unter der Diktatur der Kommunisten. Wir sind jetzt im Begriff, einen demokratischen Staat zu konstituieren. In Kürze werden Regionalwahlen stattfinden. Dann stehen Nationalwahlen an. Das erste frei gewählte Nationalparlament muß dann eine Verfassung für das unabhängige Aserbaidschan ausarbeiten.“

Doch Elcibey ist kein Träumer. Er ist sich durchaus der ungeheuren Schwierigkeiten, die diesem Prozeß im Wege stehen, bewußt. „Aserbaidschan ist geographisch ein asiatisches Land. Und Asien ist nicht gerade die Wiege der Demokratie. Aserbaidschan wird, gerade weil es den Weg der Demokratie beschreitet, Angriffen aus dem Osten ausgesetzt sein. Man denke an Usbekistan, den Iran, an China.“ Elcibey fordert die westlichen Staaten auf, die Demokratien zu unterstützen. „Die kommunistischen Konservativen wurden unterstützt vom Kreml, die Fundamentalisten werden unterstützt vom Mullah-Regime im Iran. Wo bleibt Europa? Wenn der Iran aserbaidschanische Studenten ausbildet, sollen doch die USA das Mehrfache an Studenten ausbilden.“ Die Russen, die eine Hegemonie über Aserbaidschan anstrebten, und die islamischen Fundamentalisten in Teheran, sind in den Augen Elcibeys die Hauptbedrohung. So setzt er auf Kapitalismus, darauf, daß Aserbaidschan, das über Ölvorräte verfügt, seinen berechtigten Platz in der neuen Weltordnung einehme. Er lacht, als ich ihn frage, ob Aserbaidschan ein Militärbündnis mit der Türkei abschließen wolle. „Wissen Sie, am liebsten würde ich ein Militärbündnis mit den USA abschließen. Denn die USA sind die politische Kraft, die zählt.“

Zum brennenden Problem Berg-Karabach meint Elcibey, Aserbaidschan sei bereit, den Armeniern in Berg-Karabach Autonomierechte zu geben. Doch eine Abtrennung von Berg-Karabach werde man nicht zulassen.

Elcibeys Politik gegenüber dem Iran birgt vielleicht das größte Konfliktpotential in sich. Er träumt von einer Vereinigung mit den Aserbaidschanern im Iran, von der Gründung eines Gesamtaserbaidschan mit einer Bevölkerung von 35 Millionen. Noch im März prophezeite er in einem taz-Interview, daß die Zerstückelung des Iran unausweichlich sei. Heute gibt er sich diplomatischer: „Wir fordern Autonomie für die im Iran lebenden Aserbaidschaner. Doch langfristig wird der Vereinigungsprozeß, der Korea, der Jemen und der Deutschland erfaßte, in Aserbaidschan nicht aufzuhalten sein. Ich hoffe auf einen evolutionären Prozeß.“ Ömer Erzeren