Hilfe für Kriegsopfer gestoppt

Humanitäre Hilfe für Opfer des Krieges in Ex-Jugoslawien steckt seit über fünf Tagen an bayerisch-österreichischer Grenze fest/ Visafreie Einreise für Flüchtlinge gefordert  ■ Von A. Zumach & K.-P. Klingelschmitt

Genf/Frankfurt (taz) — Die dringend benötigte humanitäre Hilfe für die Opfer des Krieges im ehemaligen Jugoslawien ist ins Stocken geraten. Seit nunmehr über fünf Tagen stehen 28 mit Hilfsgütern vollbeladene Lastwagen an zwei bayerisch-österreichischen Grenzübergängen. Die Ursache für die Panne: ein ungewöhnliches Versäumnis des UNO- Sicherheitsrates sowie streng nach Vorschrift handelnde Zöllner. Als ein mit Decken beladener Lastwagen des Genfer UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) in der Nacht zum Freitag letzter Woche auf dem Weg nach Belgrad am bayerischen Grenzübergang Schwarzbach ankam, verweigerten ihm die Zöllner die Weiterfahrt. Ihre Begründung: sie hätten strikte Anweisung, wegen der gegen Serbien und Montenegro verhängten Sanktionen keine Warenlieferungen durchzulassen. Und das UNHCR werde in dem Sanktionsbeschluß vom 30. Mai nicht als Organisation aufgeführt, die Nahrungsmittel und andere Hilfsgüter nach Belgrad bringen dürfe. In Belgrad wurde die Verteilstelle für humanitäre Lieferungen eingerichtet, mit denen Flüchtlinge und Bedürftige in Mazedonien, Kosovo und in Teilen Kroatiens versorgt werden sollen.

Die Panne und ihre Ursache waren der UNO bereits am Freitag morgen bewußt. Eine Specherin des UNHCR teilte in Genf mit, daß der UNO-Sicherheitsrat zwar die Gewährung von humanitärer Hilfe erwähnt habe, aber schlicht vergaß, das UNHCR und die anderen UNO- Unterorganisationen aufzulisten, die diese Hilfe durchführen sollen. Neben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Kinderhilfswerk UNICEF fehlt auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Die privaten Hilfsverbände sind in dem Beschluß ebenfalls nicht aufgeführt. Begründet wird der folgenreiche Fehler von Genfer Diplomaten inzwichen mit der „ungewöhnlichen Hast“ beim Zustandekommen des Sanktionsbeschlusses vom 30. Mai. Bereits bis zum Freitag abend hatten sich 28 Lastwagen voller Hilfsgüter in Schwarzbach und an einem zweiten bayerisch-österreichischen Grenzübergang gestaut.

„Die Lage der Flüchtlinge und Vertriebenen in Kroatien wird von Tag zu Tag dramatischer. Zu den etwa 300.000 Flüchtlingen aus den serbisch besetzten Gebieten Kroatiens kommen bis heute 350.000 Flüchtlinge aus Bosnien — davon rund 100.000 Kinder.“ Die Vorsitzende der in Frankfurt von SPD, CDU, FDP und Grünen getragenen Aktionsgemeinschaft Hilfe für die Opfer des Krieges in Kroatien (AHOK), Karin Philippi-Novak, forderte am Wochenende die hessische Sozialministerin Iris Blaul (Die Grünen) auf, umgehend mit dem Bund Verhandlungen mit dem Ziel aufzunehmen, zumindest Frauen und Kindern die visafreie Einreise in die Bundesrepublik zu ermöglichen.

„Seiters schweigt!“ erklärte gestern die Sprecherin von Sozialministerin Blaul, Susanne Nöcker, auf Nachfrage. Schon gut eine Woche vor dem Appell der AHOK-Vorsitzenden habe die Ministerin in einem Brief an den Bundesinnenminister die visafreie Einreise der Kriegsflüchtlinge eingeklagt — „und bis heute haben wir keine Antwort erhalten“. Für Nöcker ist die Bonner Blockadepolitik „völlig unakzeptabel“: „In ganz Bosnien gibt es keine deutsche Botschaft. Wie sollen die Flüchtlinge da an ein Visum kommen?“