Die Poesie der Nummern

■ Das neue Bremer Telefonbuch: Schon der erste Eintrag ist leider grundfalsch

Sie heißen „Liberale in Bremen“, „25 Jahre Stadthalle Bremen“, „Der Bremer Bürgerpark - 125 Jahre“ oder „Bremer Scenen“. Gut sortierte Bremer Buchhandlungen benötigen ein ganzes Regal zur Präsentation von Werken von Bremer Autoren über Bremer Themen in Bremer Verlagen. Doch ausgerechnet den einzigen Bestseller unter allen Bremensien führt keine der etablierten Buchhandlungen. Dabei ist der dicke Band, Auflage 347.000, für seine 784 großformatigen Seiten mit 2,40 Mark vom Verlag auch noch unschlagbar preisgünstig kalkuliert.

Nicht nur das günstige Preis- Leistungsverhältnis macht die Neuerscheinung zu einer wertvollen Lektüre in allen Bremer Haushalten. Der eigentliche Lesereiz liegt im Detail. Schon im ersten Satz auf der ersten Seite erfahren wir mehr über unsere Heimatstadt als sonst aus dutzenden Seiten. „A Nada, Oriental. Tanz“ steht da, und weiter: „Neuapostolische Kirche Bremen, Körperschaft des öffentlichen Rechts, 53 25 25.“ Ja wie nun das? Bauchtanz mit den Aposteln? Gottesanbetung im Tanzpalast? Ein Anruf unter der Nummer 53 25 25 genügt. „Nein, mit der neuapostolischen Kirche haben wir wirklich nichts zu tun“, versichert eine freundliche Frau, „wir sind ein Tanzstudio.“

Schon der erste Eintrag also ist grundfalsch, zeugt jedoch von einer enormen Fantasie. Was nur hat sich der Dichter gedacht, als er Tanzstudio und Kirche zusammenführte?

Wir lesen gespannt weiter und erfahren wenig später folgendes: „Abdesslam Ahmidouch, Dipl. Phys. u. Gudrun Dipl.-oec.troph., 274596.“ Wie schön. Da haben sich also zwei Menschen aus wildfremden Kulturen gefunden, der eine Physiker, die andere — ja was eigentlich ist „oec.troph.“? Wir fragen unseren Nächsten und erfahren nicht nur, daß es sich um eine Diplom-Ökotrophologin, zu Deutsch eine Ernährungswissenschaftlerin handelt, sondern befinden uns schon mitten im munteren Gespräch.

Ein Buch, welches in jeder Weise nur der Kommunikation dient. Und das bis zur allerletzten Seite. „Zyweck, Eitel F., ElektroMstr“, erfahren wir da unter weiter: „Klaus P., Timmersloher-67, Monika, 1, Timmersloher-65.“ Da wohnen also zwei Zywecks direkt nebeneinander in der Timmersloher Straße. Kann das Zufall sein? Sind sie verheiratet und haben sich getrennt? Sind es Geschwister? Der Autor läßt uns allein mit dieser Frage. Aber wir könnten sie uns beantworten, Anruf genügt. Ase

Telefonbuch 1992/93, Ortsnetzbereich Bremen (0421), Hrsg. Dt. Bundespost, Telekom, 784 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, Paperback-Großformat, 2,40 Mark.