Wiedersehensparty

■ Zur Eröffnung der »Bar jeder Vernunft«

Die 3 Tornados waren in den achtziger Jahren das schnellste, bissigste und auch erfolgreichste Berliner Alternativkabarett. Während Arnulf Rating und Günther Thews auch nach der Auflösung des Dreigestirns die Kulturszene der Stadt bereicherten, emigrierte Holger Klotzbach in den Westen und ward nicht mehr gesehen. Nun ist er zurück und eröffnete am Pfingstwochende mit Ueli Hirzel die »Bar jeder Vernunft«.

Die Premiere war gut besucht, und man mußte schon zweimal hinschauen, um die Gäste als Fans und Freunde der Tornados wiederzuerkennen. Schick sind sie geworden, die Kneipenrebellen der 68er: statt Jeans und Schlabbershirt wurden Designerhosen und HipHop-Tipptopp- Hemden vorgeführt, es dominierten die Farbschattierungen schwarz bis mausgrau. Punkte aller Größenordnungen und Blümchenmuster sind aktuell, die Schnittlängen der gezeigten Modelle variierten je nach Mut und Beinform. Biertrinken ist out, Rauchen ist megaout. Die Damen und Herren von heute trinken Sekt und schauen interessiert in die Luft.

Die Premiere schien als Treffpunkt längst verschollen geglaubter Freunde zu dienen, vielleicht wurde an diesem Abend die ein oder andere WG reanimiert. Mann/Frau ist mittlerweile viel herumgekommen, das Begrüßungszeremoniell hat internationalen Standard erreicht. »You changed totaly! Your're beautiful!« kreischte eine Frau entzückt in das Ohr ihrer Freundin. Immer wieder hörte man die Begrüßungsformel, mit der man sich als VIP zu erkennen gibt: »Ich wußte, daß ich dich hier in Berlin treffe!« Und nicht in Paris, Rom oder Tokio.

Die Bar jeder Vernunft ist für diese Wiedervereinigungsparty der richtige Ort, ein Zelt an der Freien Volksbühne, dessen Innenraum geschickt genutzt wurde. Innerhalb der ehemaligen Manege stehen Tische und Stühle, sie begrenzen die ebenerdige Bühne. Um die Manege herum bietet ein Podest Platz für diejenigen, die sich die Beine vertreten wollen. Das Ganze umschließt ein Ring aus Séparées, die jeweils vier, fünf Gästen Platz bieten. In den Rückseiten der Séparées sind Spiegel eingelassen. Sie sorgen mit den 18 spiegelverkleideten Holzquadern, die das Zeltdach stützen, für eine plüschig-dekadente Atmosphäre, die das Gemüt auf eine lange, zu durchzechende Nacht einstimmt.

Das Premiereprogramm begann zäh. »Blues Max«, ein Schweizer Unterhaltungskünstler, nuschelte eine unendliche Geschichte ins Mikrophon. Es ist seine Lebensgeschichte, die sehr langweilig und dröge gewesen sein muß. Das ganze Elend dauerte in der Erinnerung 25 Minuten, begann mit der Geburt (»my father was my mother, and that's the beginning of me«) und endete mit einer Bootsfahrt in Hamburg. Es folgte ein anderer Schweizer, der es schaffte, seinen Bundesgenossen an Trübsinn noch zu übertreffen. »Am besten, ich erzähle jetzt einen Witz. Kennen Sie den Unterschied zwischen der Uhr und mir? Der Witz ist sehr lang und endet mit der Pointe, daß er nicht witzig ist. Der Vortragskünstler strapazierte dann sein komödiantisches Talent, indem er den Witz viermal erzählte in der Hoffnung, daß ein schlechter Witz durch Wiederholung zum Running Gag mutiert.

Um so glänzender präsentierte sich Fay Presto mit ihren kleinen Geschichten, Moderationen und Zauberkunststückchen. Die Lady aus London ist eine charmante, aufgeweckte Frau mit großer Bühnenpräsenz. Doch die reichte nicht aus, um alle Gäste im Zelt zu fesseln. Vor der Bar jeder Vernunft tummelten sich allerlei Kollegen von der taz und anderen Medien. Auch sie interessierten sich, wie ein großer Teil der Publikums im Zelt, weniger für das laufende Programm als für den neuesten Klatsch und Tratsch.

Das Premiereprogramm wird bei den folgenden Veranstaltungen nicht wiederholt, deshalb bleibt von dem Abend nur eine wichtige Erkenntnis: die Bar jeder Vernunft ist ein wunderschöner Spielort. Und wer nur die Baratmosphäre genießen möchte, kann das nach den Vorstellungen tun. Es lohnt sich. Werner

Spiegelpalast »Bar jeder Vernunft«, Schaperstraße 24. Nächste Programme: bis zum 14. Juni, 20.30 Uhr: Gruppo di Valtorta, 15./16./17. und 22./23./24. Juni, 20.30 Uhr: Geschwister Pfister. Der Nachtsalon hat täglich ab 23 Uhr geöffnet. Freitags bis montags mit Fay Presto.