Mehr Alleinerziehende im Ostteil

■ 120.000 alleinerziehende BerlinerInnen sind keine Ausnahme/ Dennoch sind überdurchschnittlich viele arbeitslos, verdienen wenig und leben in engen Wohnungen/ Kommt ein Recht auf Kita-Platz?

Berlin. In jeder dritten Berliner Familie kümmert sich die Mutter oder der Vater alleine um ein oder mehrere Kinder. 160.000 Kinder leben in 119.000 Ein-Eltern-Familien, davon 78.000 im Westteil und 82.000 im Ostteil. 105.000 alleinerziehenden Müttern stehen 14.000 Väter gegenüber. Im Ostteil der Stadt ist der Anteil Alleinerziehender damit höher als im Westteil. Diese Zahlen legte Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) gestern dem Jugend- und dem Frauenausschuß des Berliner Parlaments vor. Hintergrund war eine große Anfrage der Fraktionen von SPD und CDU zur Lage Alleinerziehender in der Stadt.

Ein Kind alleine zu erziehen sei »keine Ausnahme, sondern eine verbreitete Lebensform«, kommentierte Krüger die Zahlen. Dennoch ist die Lage Alleinerziehender deutlich schwieriger als die sogenannter kompletter Familien. Während in ganz Berlin 6,7 Prozent der »Haushaltsvorstände« von vollständigen Familien arbeitslos sind, haben im Ostteil 15 Prozent der Alleinerziehenden keine Arbeit; im Westteil sind es 21 Prozent. Außer mit Erwerbslosigkeit und geringen Einkommen haben viele Mütter mit Kind auch mit beengten Wohnverhältnissen zu kämpfen. Lediglich eineinhalb Zimmer stehen ihnen in Berlin durchschnittlich zur Verfügung. Laut einer Studie der Freien Universität ist auch die Zahl der alleinerziehenden Sozialhifeempfängerinnen seit 1980 stark gestiegen. Insbesondere im Ostteil rechnet Krüger in den kommenden Jahren mit einem weiteren Anstieg.

Daß im Ostteil mehr Mütter Arbeit haben als im Westteil, führt Sybill Klotz, frauenpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Grüne, auf die bessere Versorgung mit Kita- und Hortplätzen zurück. »Auch wenn es in der DDR auch strukturelle Dskriminierungen gab, war das Maß an sozialer Sicherheit für Alleinstehende größer.« Während im Ostteil der Stadt noch heute so gut wie alle Kinder untergebracht werden können, warten im Westteil 30.000 auf einen Kita-Platz. Sowohl die PDS-Fraktion als auch Frauensenatorin Christine Bergmann (SPD) sprachen sich gestern für einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz aus. Zur Verbesserung der Lage Alleinerziehender verwies Krüger auf die Bemühungen des Senats für bessere familienbezogene Leistungen wie Erziehungs- und Kindergeld. Bereits 1991 habe Berlin außerdem als erstes neues Bundesland eine Verordnung über die Regelsätze für nichteheliche Kinder verlassen. Außerdem sei man bemüht, den Unterhalt im Ost- und Westteil bis 1994 anzugleichen. Während Klotz anregte, Wohngemeinschaften von Alleinerziehenden sowie Selbsthilfegruppen zu fördern und außereheliche Lebensweisen als gleichwertig anzuerkennen, setzte sich die FDP für die Einrichtung von Ganztagsschulen ein. Erziehung dürfe nicht länger als »Privatangelegenheit der Frauen« anerkannt werden«, forderte Ingrid Holzhüter für die SPD. jgo