»Warteschleife« zum Sozialamt?

■ Fachkongreß berät heute und morgen über Arbeitsmarktpolitik in Berlin und Brandenburg/ ABM-Projekte benötigen mehr Zeit und Geld/ Selbständige Unternehmen sind nicht das Ziel

Berlin. Mit pfiffigen Projektideen wollen sich ArbeitnehmerInnen in Ost-Berlin Arbeitsplätze schaffen. Doch das bisherige arbeitsmarktpolitische Instrumentarium reicht bei weitem nicht aus, um den Weg in die Selbständigkeit zu ermöglichen. Auch im Westteil der Stadt ist der Bestand vieler ABM-Projekte bedroht. Die Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen hat zumindest die Dramatik der Lage am Arbeitsmarkt erkannt und veranstaltet gemeinsam mit dem brandenburgischen Schwester-Ministerium heute und morgen einen Kongreß zur Arbeitsmarktpolitik.

Besonders fragwürdig scheinen die Erfolge der Arbeitsmarktpolitik im Ostteil Berlins. So lautet beispielsweise die ernüchternde Prognose von Gerd Punzel, einem von zwei Geschäftsführern der 1991 gegründeten Arbeitsförderungs- und Weiterbildungsgesellschaft Oberspree mbH (AWO): »Wenn von den 20 selbständigen ABM-Projekten drei überleben, dann sind wir nicht die schlechtesten.«

Derzeit sind 200 Personen (davon 40 Prozent Frauen) auf der Basis von ABM dort in den Bereichen Umwelt und Soziales beschäftigt. Und es ist nicht nur die eher bescheidene Zukunftsperspektive, die die AWO als ein typisches Ostberliner Projekt im gewerblich-sozialen Bereich auszeichnet. Denn in den Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) ist festgeschrieben, daß nur Projekte mit gemeinnützigem Charakter förderungswürdig sind. Die Gemeinnützigkeit ist aber häufig nicht vereinbar mit den Zielen der Ostprojekte, die mit den AB-Geldern eigenständige Unternehmen entwickeln wollen. Das, so sagt der zweite Geschäftsführer Ulrich Kopp, »steht nach Angaben des Arbeitsamtes im Widerspruch zur Gemeinnützigkeit«. Deshalb seien schon einige Projekte nicht genehmigt worden, die durchaus Zukunft gehabt hätten. Aber selbst wenn diese Barriere überwunden wurde, ist der Erfolg nicht gesichert. Denn dann ist die ein- oder zweijährige Laufzeit der ABM-Stellen zu kurz, um ein Unternehmen zu bilden, zumal im Moment fast kein Kapital vorhanden ist.

Davon kann Ingenieur Günther Schubert berichten, der heute zuständig ist für Marketing beim AWO-Projekt »Recyclinghof«. Dort arbeiten 26 Personen, davon acht Frauen. Schubert will mit seinen Mitarbeitern ein Dienstleistungsunternehmen mit breitem Angebot aufbauen, das frühestens 1994 auf eigenen Beinen stehen könnte.

Aber auch im Westteil der Stadt scheint das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium nicht mehr zu funktionieren. Nach Angaben von Peter Urban von der Arbeitsgemeinschaft Arbeit und Ausbildung, einem Zusammenschluß von ABM-Projekten (West), stehen schon mehrere Projekte vor dem finanziellen Ende, weil Arbeitsämter und Senatsverwaltung nicht zuverlässig die Gelder auszahlen. Doch selbst eine verläßliche Finanzierung reiche nicht aus, um die zu erwartende Sockelarbeitslosigkeit von 20 Prozent aufzufangen. Vielmehr müsse das ganze Instrumentarium geändert werden. Stefan Lutz