SOMNAMBOULEVARD — FIN DE RIO, FIN DE BIO Von Micky Remann

Glaubst Du, daß es mit der Welt zu Ende geht wie mit einer überzogen gefeierten Party? Die Frage ist berechtigt, aber nicht erst, seit auch der Strand von Copacobana zum Symbol für den Abgesang der Riosphäre geworden ist, sondern war es schon damals, als es urknallte und aus dem träumenden Ei des Kosmos die Welt schlüpfte, und aus dem träumenden Ei der Welt die Erde.

Mit letzterer geht es jetzt aber schwer in Richtung finito, wenn man unseren Alptäumen glauben darf, die hier schweißgebadet über den Somnamboulevard irren und im Traum nicht müde werden zu berichten, die Erde sei im innersten Kern bereits gestorben und faule nur noch nach außen zur Schale hin durch, so daß auch die letzten Menschen und Kompostwürmer bald von ihrem Schicksal ereilt würden, weil es nichts mehr zu kompostieren gibt auf dem sinkenden planetaren Schiff, denn Kompost wäre ja noch ein Zeichen von Leben, welches nun aber samt und sonders erstickt und erlischt, und außer verrosteten Chips und ein paar Knochen im Wüstendsand sei leider bald nichts mehr da, was an die Biosphäre mit ihrer einstigen Quirligkeit erinnern könnte. Das alles künden die Alptraumboten, sofern sie vor Schreck überhaupt den Mund aufkriegen, und glaub mir, darunter sind viele der Bosse von Rio und Bio, deren Wachzustandsreden uns natürlich überhaupt nicht interessieren, wohl aber ihre somnambulen Sub- Wirklichkeiten, zu denen wir hier traditionell Zugang haben, weshalb wir auch verraten können: Die Offiziellen sind in ihren inneren Schlafwandlungen doppelt so desparat, wie es die Umkehrung ihrer äußeren Öko-Zuversicht sowieso befürchten läßt.

Jedoch, und tröstlicherweise, besagt das alles nicht viel, denn Träume von Menschen über die Erde haben mit Träumen der Erde selbst oft wenig zu tun. Wenn Gaia, was ja niemand mehr bestreitet, ein Lebewesen ist, dann verfügt sie auch über eigene Träume in ihrer eigenen Erdtraumzeit.

Nun haben sich einige Erdträumer hier darauf spezialisiert, sich ins somnambule Herz von Mutter Gaia hineinzuversetzen, oft sogar, indem sie nächtelang auf dem Kopf stehend einschlafen, um so einen der famosen Wahr- und Klarträume unserer blauen Planetin zu erhaschen. Gerade sehe ich, wie einer aus dieser Gilde seinen Traumkörper ans Gaia- Dreammodul anschließt, von dem aus ihr Traum visuell übermittelt und— der Renner im Somnambul-TV — live gesendet werden kann. Gebannt verfolgen wir im Traum den Traumreport aus dem Erdmagma: Gaia stirbt? Bullshit! In ihrem Innern ist ein pochender Embryonalkristall, der um sein Leben gern die Welt erblicken möchte, heißt es in der Direktübertragung aus Gaias Nerven.

Und wenn wir ihre Dreamshow korrekt auf die Monitore übersetzt haben, dann träumt die Erde jetzt von einem Ei, dessen Schale von innen platzt. So ist das, wenn ein Planetküken schlüpft. Nur die Schale stirbt dabei. Finito. Besser: sie wird kosmisch kompostiert.