INTERVIEW
: „Havel hat Meciar enttäuscht“

■ Jaroslav Sabata, tschechischer Minister für „föderale Fragen“, zweifelt an der Kompromißbereitschaft von V. Klaus

Heute findet in Prag die zweite Verhandlungsrunde zwischen Vaclav Klaus und Vladimir Meciar statt. Nach dem ersten Zusammentreffen der tschechischen und slowakischen Spitzenpolitiker am Montag in Brno hatte Klaus festgestellt, daß die CSFR in „Agonie liege“.

taz: Sie sind einer der wenigen tschechischen Politiker, die ein gutes Verhältnis zu Meciar haben. Auch vor den ersten Verhandlungen mit Klaus in Brno hat er Sie zu Hause besucht. Darum nun eine Frage, über die sich seit Monaten alle Politiker der Tschechischen Republik den Kopf zerbrechen. Will Meciar den gemeinsamen Staat der Tschechen und Slowaken erhalten?

Sabata: Ja, ganz bestimmt. Denn Meciar weiß genau, daß nicht nur die Mehrheit der Tschechen, sondern auch der Slowaken dies will. Hier liegt die Ausgangsbasis seiner Überlegungen. Wenn Klaus sagt, Meciar will die CSFR zerschlagen, so ist dies reine Demagogie. „Zerschlagen“ werden soll lediglich die bisherige Form der Föderation. Meciar ist ganz bestimmt kein Separatist wie etwa der Vorsitzende der slowakischen Nationalpartei.

Aber wie soll die „neue Form“ des Zusammenlebens aussehen?

Die Regierung der „neuen“ Tschechoslowakei soll die klassischen Kompetenzen einer Bundesregierung haben: gemeinsame Verteidigung, gemeinsame Außenpolitik, die strategischen Fragen der Wirtschaft, besonders der Finanzen, sollen gemeinsam gelöst werden.

Meciar fordert aber auch eine eigene Emissionsbank.

Ja, hier liegt tatsächlich ein Problem. Meciar will jedoch keine Emissionsbank, die der Regierung der Slowakei untergeordnet ist, sondern lediglich eine Zweigstelle der Prager Zentrale. Der Gouverneur der Staatsbank, ein Tscheche, ist der Ansicht, daß dies möglich ist.

Die tschechischen Politiker werfen Meciar vor, er wolle die Privatisierung stoppen.

Nein, er wird sie fortführen. Es geht jedoch um das Tempo und die Akzente. Auch der tschechische Wirtschaftsminister ist der Ansicht, daß die Privatisierung verlangsamt werden sollte. Wir brauchen mehr Zeit, um zu diskutieren, welche Betriebe an wen verkauft werden sollen.

Das hat Klaus aber immer abgelehnt.

Klaus hat die Betonung immer auf eine schnelle Veränderung der Eigentumsverhältnisse gelegt. Aber auch in seiner Partei gibt es Leute, die für eine Strukturpolitik, für ein stärkeres Engagement des Staates eintreten. Und die will auch Meciar.

Besteht also doch noch eine Chance auf eine Einigung zwischen der tschechischen „Rechten“ und der slowakischen „Linken“?

Ja, aber nur, wenn sich beide Seiten auf diese neue Form des Zusammenlebens einigen können. Ich bin jedoch skeptisch hinsichtlich der Kompromißbereitschaft von Klaus. Klaus will eine starke Föderation, die die Slowakei in ihre Grenzen weisen kann. Die Alternative für ihn heißt: Tschechische Republik. Wir werden jetzt eine Welle des tschechischen Chauvinismus erleben, dieser wird nur etwas „kultivierter“, „samtener“ als der slowakische sein.

Zurück zu Meciar. Dieser hat vor den Wahlen angekündigt, daß das Parlament in Bratislava so bald wie möglich eine Souveränitätserklärung der Slowakei verabschieden wird. Wird Meciar diesen Plan einhalten, und bedeutet dies dann nicht doch das Ende der CSFR?

Ja, er wird seine Absichten verwirklichen. Bei unserem Gespräch am Montag hat er mir jedoch versichert, daß seine Partei eine vorsichtige Form wählen wird. Das heißt, durch diese Erklärung wird die Föderalverfassung nicht außer Kraft gesetzt werden.

Warum unterstützt Meciar die Wahl Havels nicht?

Früher hat Meciar Havel bewundert. In den beiden vergangenen Jahren hat der Präsident ihn jedoch immer wieder enttäuscht. Er hat den Slowaken etwas angeboten und dann wieder einen Rückzieher gemacht. Außerdem hat Havel ihn im Wahlkampf zweimal kritisiert. Das kann Meciar ihm nicht verzeihen. Meciar will, daß beide Teilrepubliken einen Präsidenten haben, die sich in der Funktion des tschechoslowakischen Staatspräsidenten abwechseln. Interview: Sabine Herre