Laß es, tu es!

Schöne-junge-Mädchen-Musik für Baseballshirtträgerinnen. Über die Nöte und Sorgen singen sie, die die Herzen brechen und die Sinne schwinden lassen: »Ich will Liebe und eine Revolution«, mitten im Scheißkapitalismus, »alles and're hatte ich schon.«

Die Braut haut ins Auge aus Hamburg machen erfrischend jugendliche Beat-Musik, sie sind ein nachmittäglicher Sommertag, frei von Belastungen und Verpflichtungen — schöne, intelligente Lebensretterinnen. Ab und an machen sie den Sound der Siebziger, zu dem sich junge Frauen mit großen Kreisen in seltsam gedeckt-schrillen Farben auf der Kleidung hin und her wiegen und lange Wimpern tragen. Aber meist ist es schon die Musik der Neunziger — auch wenn es wegen der deutschen Texte manchmal nach NDW klingt. Nur ein wenig, die Texte gehen tiefer, behandeln die schon braun gewordenen Druckstellen cooler Mädchen, die sich mit dem, was es in Bad Salzuflen, Freiburg, Hamburg an kompatiblen Teen-Boys gibt, herumplagen müssen: »Der langweiligste Junge der Welt — war der, den ich nicht kannte«, weil er nämlich »kein Theater spielte, keine Musik machte, keine dadaistischen Bilder malte und nichts von Kafka wußte und bestimmt — zur Bundeswehr mußte.«

Gewissensdramen werden auf der Bühne wie unter Freundinnen debattiert: »Was soll ich machen? Laß es! Tu es!« Der junge Mann um dessentwillen die konfliktuöse Betroffene evtl. ihre Sicherheit aufgeben würde, dessen Stimme »wie ein heißes Bad — ahhh« ist: »Tu es!« Überhaupt erinnert diese schamlose Vermischung von Naivität, Coolness, von Wissen, Schmutz und Schund an eine konsequente Weiterentwicklung des Ronettes-Girlism.

Die fünf Freundinnen werden auf dieser Tour einen Freund dabei haben, weil die neue Freundin das mit dem Bass-Spielen erst noch exakt hinkriegen muß. Nach ihrem Gig im Tacheles und einer kleinen Deutschlandtour haut die Braut dann am Christopher Street Day in der Halle in Weißensee wieder ins Auge. Daß Sie nicht nur Teenie-nett sind, zeigt ein »Brauttest« aus dem Infoblatt: »Man merkt, von Musik verstehen sie etwas, aber legen Sie doch mal ihre gymnasiastische Brille ab und schauen Sie der ‘Braut‚ tief in die Augen, was sehen Sie da? Na also, und jetzt tanzen!« Annette Weber

Heute, 21 Uhr im Tacheles, Oranienburger Straße, Mitte