: Der alltägliche Wahnsinn
■ Das Münchner Kabarett »Gruppo di Valtorta« in der Bar jeder Vernunft
Niamatzo Blaamsepp!« — der ganz alltägliche Wahnsinn. Oder Unsinn. Was redet man beim zufälligen Treffen in der U-Bahn? Beim gemeinsamen Essen mit Freunden? Oder beim Bietrinken in der Kneipe? Natürlich über die Tante des verstorbenen Freundes aus Kaiserslautern, — oder war sie aus Kufstein? — oder war es nicht überhaupt die Kusine? Wer redet eigentlich mit wem über was und warum? Wer kann wen was?
Fragen über Fragen, es wird viel geredet, ohne wirklich etwas zu sagen, in Situationen, die den ganz (ab-) normalen Alltag spiegeln. Genau hier setzen die Münchner Kabarettisten »Gruppo di Valtorta» an. Das Ehepaar in feierabendlicher Öde bietet genauso Angriffsfläche für die erbarmungslosen fünf »Valtortas« wie bierseeliges Kneipengeschwätz: Zwei typisch bayerische Bayern unterhalten sich hinter ihren Maßkrügen in einer erfundenen Sprache, die niemand verstehen kann — und die dann doch jeder versteht. »Gruppo di Valtorta« verfremden, entstellen Sprache bis zur Unkenntlichkeit. Und beweisen dadurch, daß unsere Sprache zur Verständigung in banalen Alltagssituationen nicht unbedingt nötig ist.
In ihrem neuen, zweiten Programm »Niamatzo Blaamsepp!« stellen sie diese Situationen in einzelnen Szenenfolgen dar. Sie beginnen ganz harmlos, ganz normal und gipfeln im Absurden — die Abnormalität des Normalen wird vorgeführt. Die Sprache ist nicht mehr Mittel zum Zweck, sondern spielt ihre eigene Rolle — und das brillant.
Die Gruppo di Valtorta, das sind: Alexander Liegl, verantwortlich für Texte und Regie, Maria Magdalena Reichert, Friedrich Burschel, Markus Bachmeier und Martin Pölcher. »Das mit dem Kabarett« hat sich für sie »so ergeben, hat sich so entwickelt« — und zwar von einzelnen Szenen auf Kleinkunstbühnen im Münchner Umland bis zu ihrem ersten abendfüllenden Programm Ende 1989 (Schnörz mich Du Schippenglunz!).
Politisches Kabarett zu machen, stand für sie nicht zur Debatte. Allerdings sehen sie in ihrer gesellschaftskritischen Ausrichtung auch einen politischen Anspruch. Es werden nur eben nicht immer die Namen Kohl oder Möllemann bemüht. Und das ist auch gut so — gerade so zeigen sie, daß Kabarett noch mehr bieten kann als den politisch-moralischen Zeigefinger. Die Gruppo di Valtorta will sich künftig noch verstärkter in Richtung Theater, szenischer Darstellung bewegen, weg vom Vortrags- Kabarett, hin zum Publikum.
Warum sie die Sprache so verfremden? — Weil sie dadurch wieder interessant wird. Aha! Der Effekt ist gelungen: »Tja, mein Knutzelschlintz, wir sind halt alle bloß Menschen, grad nach Feierabend«. Denn man Proust! Elke Lachert
Nächste Vorstellungen: 12.-14.6., 20.30 Uhr, Bar jeder Vernunft
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