"Kein Grund zum Weinen!"

■ betr.: "Meuterei auf der ,Biosphäre'", Kommentar von Matthias Bröckers, taz vom 3.6.92

betr.: „Meuterei auf der ,Biosphäre‘“, Kommentar von Mathias Bröckers, taz vom 3.6.92

Es fällt schwer, an dem köstlichen Kommentar von Mathias Bröckers zum Erdgipfel herumzumäkeln, aber die Botschaft, die er auf witzig-weinerliche Weise anbietet, ist alles andere als köstlich. Auch „der Mensch“ ist ein Naturprodukt. Die anthropogene Zerstörung des blauen Planeten ist im weitesten Sinne also auch natürlich. In der Erdgeschichte hat es schon viele gravierende Umwälzungen gegeben, ohne die die Lebewesen in ihrer heutigen Form sich nicht hätten entwickeln können. Mensch denke nur an die Schwängerung der Atmosphäre mit dem, für die damaligen Lebewesen, tödlichen Sauerstoff oder an den, im Kommentar erwähnten, CO2-Anstieg vor 65 Millionen Jahren. Mathias Bröckers hätte gut getan, auch noch den rasanten Anstieg der Anzahl der Arten über das davorige Ausmaß hinaus nach der letztgenannten Katastrophe zu beschreiben, aber wahrscheinlich hätte dies sein Weltbild ein bißchen gestört.

Chaos ist nicht nur Störung der bisherigen Ordnung, sondern auch der Ausgangspunkt für nachfolgende Ordnungen und deren Katastrophen. Es handelt sich also um Entwicklungsprozesse mit abwechselnden Phasen scheinbarer Unveränderlichkeit und Phasen stürmischer Veränderungen. Entwicklung ohne Unordnung kann es nicht geben. Die „Mannschaft des Raumschiffs“ Erde meutert deswegen nicht gegen die „Ordnung des Universums“, sondern drückt universelle Entwicklungsgesetze gerade aus. Ob es für die Entwicklung der Artenvielfalt gut oder schlecht ist, wenn der Mensch verschwindet, weiß niemand. Sicher ist dagegen, daß früher oder später, gleichzeitig oder ungleichzeitig, mit oder ohne menschliche Beteiligung sowohl Menschen als auch Tiere, Pflanzen, Kontinente und überhaupt die gesamte Erde und sogar die taz zerstört werden — na und? Kein Grund zum Weinen! Amelie Müller, Bielefeld