piwik no script img

Herri Batasuna verstößt altes Führungsmitglied

Madrid (taz) — Seit zwei Jahren war er zunehmend ins Abseits geschoben worden. Heute soll er aus seiner Partei geworfen werden: Txema Montero, Anwalt und langjähriges Führungsmitglied der ETA-nahen Koalition Herri Batasuna. Es ist das erste Mal, daß das Leitungsgremium von Herri Batasuna den Ausschluß eines Mitglieds beantragt. Anlaß für die Sanktion war ein Artikel, den Montero für die baskische Tageszeitung 'Deia‘ geschrieben hatte, der aber bereits gestern in mehreren spanischen Tageszeitungen erschien. Unter dem Titel „Für die Unabhängigkeit von Euskadi“ vertritt Montero darin die Ansicht, Unabhängigkeit sei durch das Statut von Guernica zu erreichen. „Nichts ist unmöglich, wenn der Wille des Volkes deutlich wird“, schreibt er unter Verweis auf den Zerfall des Sowjetreichs. „Mit welchen Mitteln? Nichts ist so ungenau, wie das baskische Problem als Krieg zu bezeichnen. Wieso sollen wir uns auf einen Krieg versteifen, der nicht angenommen wird?“ Das Infragestellen des bewaffneten Kampfs ist bei Montero nicht neu. Seit mehreren Jahren hatte er sich zunehmend von dem Sektor von HB distanziert, der die ETA-Anschläge weiterhin als einziges Mittel zur Erlangung der baskischen Unabhängigkeit ansieht. Auch seine Befürwortung einer Parlamentsbeteiligung steht der offiziellen HB-Meinung entgegen. Diese erkennt Parlamente grundsätzlich nicht an. 1990 hatte Montero aufgrund dieser Differenzen sein Mandat als Europaabgeordneter von Herri Batasuna niedergelegt. Seither hatte er sich mit öffentlichen Äußerungen zurückgehalten — niemand vergißt im Baskenland, wie die ETA mit „Verrätern“ umgeht. Die ermordete ehemalige ETA-Führerin Yoyes sowie das Verschwinden des HB-Mitglieds Joseba Urkijo „Kinito“, kurz nachdem bekannt wurde, daß er als Polizeispitzel gearbeitet hatte, sind warnende Beispiele. Daß ausgerechnet jetzt die Sanktion gegen den ehemaligen HB- Führer Montero ausgesprochen wurde, mag zum einen in der ungewöhnlichen Klarheit liegen, mit der Montero im genannten Artikel seine Differenzen zur HB-Linie benennt. Sie ist jedoch auch Ausdruck der Verhärtung der Organisation. Wie jetzt bekannt wurde, sind vor sechs Monaten auch zwei gefangene ETA- Mitglieder aus der Organisation ausgeschlossen worden. Sie hatten Anschläge der Organisation heftig kritisiert.

Auf die zahlreichen Festnahmen ihrer Führungsmitglieder in den vergangenen Wochen war die Organisation erst vorgestern in der Lage, mit einem Anschlag in Madrid zu reagieren, bei dem 13 Personen verletzt wurden. In der konservativ-nationalistischen Partei PNV wurden danach Stimmen laut, die soeben erst begonnenen Gespräche zwischen dieser Partei und HB abzubrechen, falls ein ETA-Anschlag Menschenleben fordern sollte. Die Gespräche sind ein Versuch, neue Kanäle für einen Ausweg aus der Gewalt im Baskenland zu schaffen. Antje Bauer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen