Täglich Ärger mit Bancoburocrazia

Der italienische Bankverkehr dauert eine Ewigkeit und steht weit hinter dem Mittelalter zurück  ■ Aus Terracina Werner Raith

Der Mann von der öffentlich-rechtlichen Anstalt hat eine gute Nachricht für mich: „Wir haben Ihr Problem gelöst. Das Geld ist per Blitzüberweisung zu Ihrer Bank unterwegs. Sie müssen es heute noch gutgeschrieben bekommen.“ Doch dann versteht er die Welt nicht mehr, denn daß ich nicht in Dankbarkeit ausbreche, sondern auch noch einen regelrechten Tobsuchtsanfall bekomme, will ihm nicht in den Kopf. „Unsere Bank hat gesagt, daß das der schnellste Weg ist“, stottert der Angestellte. Dabei habe ich ihm extra ein Schreiben zugefaxt, daß es nur eine einzige Methode gebe, mit der ich in weniger als eineinhalb Monaten sicher zu meinem Geld komme — den der telegrafischen Postüberweisung.

Dafür muß allerdings jemand das Geld in die Hand nehmen und zum Postamt pilgern, ein Formular ausfüllen und anschließend den Betrag einzahlen. Dann kommt es innerhalb von zwei, drei Tagen an — zumindest meistens. Wie kompliziert ein solcher Vorgang in Italien sein kann, das verstehen deutsche Beamte genausowenig wie Bankmenschen. Wo doch alles computerisiert ist, müßte das doch...

Nein, obwohl der Geldtransfer schneller, unbürokratischer und vor allem kundenfreundlicher laufen müßte, tut er das nicht. Was haben die Leute, die mir ab und zu Geld schulden, schon alles versucht: Schecks per Post — die dauern schon mal zwei bis drei Wochen Zustellzeit, dann will die Bank ungelogen 45 Tage Gutschriftzeit, weil das Geld ins Ausland geht. Auch die schlichte Postüberweisung hat es in sich: Sie sie braucht die normale Postzustellzeit — also mehrere Wochen. Das Verfahren hat zudem noch den Nachteil, daß man erst frühestens nach vier Wochen in Deutschland reklamieren kann und die Recherche wiederum einige Wochen dauert.

Das Schwierige ist, daß einem niemand diese Verhältnisse glaubt, zumal mein Wohnort Terracina nur etwa hundert Kilometer von Rom entfernt liegt und keineswegs im unzugänglichen Aspromonte Kalabriens. Jene Blitzüberweisung aus Baden-Baden brauchte mehr als einen Monat, bis sie eingegangen war — und das auch nur, weil ich mich zuvor zwei Wochen lang auf die Suche gemacht und sicherlich mehr als hundert Mark vertelefoniert hatte.

Der Vorgang spielt sich so ab: Meine Bank in Deutschland überweist beileibe nicht an die Cassa di risparmio di Roma, bei der ich in Terracina mein Konto habe. Sie überträgt das Geld erst einmal an eine ihrer Korrespondenzbanken. Etwa den Credito Italiano, es kann aber auch die Banca Nazionale del Lavoro oder der Banco di Sicilia sein. Von dort geht das Geld dann in die eigene Filiale der Provinz. Und da unternehmen die Geldhüter nun eine Recherche — hat der Mensch in unserer Filiale in Terracina oder im benachbarten Fondi oder San Felice Circeo ein Konto? Die Nachfrage erfolgt brieflich und dauert zwischen zwei und drei Wochen. Verläuft die Anfrage negativ, bekomme ich, wieder per Post, einen Brief mit dem Hinweis, daß Geld für mich eingelaufen ist.

Wenn ich Glück habe, kommt das Geld allerdings in der Provinzzentrale meiner Bank in Latina an. Die schickt es dann an ihre Filiale in Terracina und die wieder an die Filiale in Borgo Hermada, wo ich mein Konto habe. Selbst das dauert dann durchschnittlich von Berlin nach Terracina gute vier Wochen.

Im Falle der Blitzüberweisung mußte ich Stunden herumtelefonieren: zunächst beim Südwestfunk, um herauszukriegen, bei welcher Bank die Überweisung getätigt wurde, dann bei der Bank, um deren Partner in Italien zu erfahren — es war die San-Paolo-Bank in Mailand. Der Anruf bei dieser ergab, dort hätte man das Geld nach Rom weitergeleitet. Doch in der Zentrale fand es sich nicht — die Devisenabteilung ist ausgelagert. Dort war das Geld tatsächlich hängengeblieben — eben weil die Recherche noch nicht abgeschlossen war.

Wehe dem, der in Italien nicht in Rom oder Mailand lebt — schon alleine die Namen der Banken sind in der Regel so lang, daß sie auf kein deutsches oder schweizerisches Bankformular passen, wo es bekanntlich eine Höchstgrenze von meist 25 Buchstaben gibt. „Cassa di Risparmio di Roma Filiale di Borgo Hermada“ aber hat 51 Zeichen. Füllt ein naiver Bürger den bereitgestellten Raum aus und schreibt den Rest neben die Kästchen, übernimmt der Computer automatisch nur die ersten 25 — also bis Ro von Roma. Dann kommt die Sendung, weil der Name nicht verifizierbar ist, schlicht wieder an den Absender zurück.

Da sehnt sich ein gelernter Historiker wie ich zurück ins Mittelalter: Im 13. Jahrhundert, wo die Florentiner, Mailänder und Pariser Banker längst Wechsel und Schecks erfunden hatten, dauerte eine Überweisung aus der Toskana nach London zehn Tage. Daueraufträge funktionierten auf den Tag — anders als heute, wo ich seit drei Monaten einen hitzigen Kampf mit der Elektrizitätsgesellschaft ENEL ausfechten muß, deren Rechnungen meine Bank mir vom Konto längst abgezogen hat, das Geld aber bis heute nicht bei der ENEL angekommen ist.

Mitunter allerdings hängt die Verzögerung nicht unbedingt an den komplizierten bürokratischen Wegen. Eine Anfang März abgesandte Überweisung der taz fand ich, als sie Mitte Mai noch immer nicht eingetroffen war, schließlich schlummernd bei der Banco di Santo Spirito in Latina — man hatte sie, angeblich, schlichtweg vergessen.