Das Kabinett der Verlierer

Gestern wurde Erwin Teufels schwarz-rote Regierung vereidigt/ Bleich, aber gefaßt hob der Katholik die Hand zum Schwur/ Das baden-württembergische Kabinett ist ein Sammelsurium politischer Altlasten  ■ Aus Stuttgart Dietrich Willier

Woher künftig der kalte Boreas der politischen Opposition zur baden- württembergischen schwarz-roten Koalitionsregierung weht, konnten Stuttgarter Zeitungsleser gestern schon zum Frühstück ihren Blättern entnehmen. Noch war das neue Kabinett des Ministerpräsidenten gar nicht inthronisiert, da wurde es bereits gebeutelt wie kein anderes vor ihm in zehn Legislaturperioden.

„Die Landes-CDU“, so ein angesehener Kommentator, habe bei der Regierungsbildung „das ganze Elend der Verbonzung“ vorgeführt, habe „Feigheit, Schwäche und bestenfalls Fertigkeiten im Erbsenzählen“ gezeigt. Und die SPD habe sich „über den Tisch ziehen lassen“ und mit einem durch den Denkmalschutz „stark aufgepeppten“ Wirtschaftsministerium sowie einem „Ministerium für Kruscht und Kunst“ abspeisen lassen. „Der Lahme führt den Blinden in die Regierung. Das Land wird sie aushalten“, so das Resümee.

Bleich, aber gefaßt hob Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) gestern Mittag die Hand zum Schwur. Sein einziger Widersacher um das Amt des Regierungschefs, der Fraktionsvorsitzende der „Republikaner“, Rolf Schlierer, hatte zwar neben den 15 Stimmen seiner eigenen gleich noch vier Stimmen aus anderen Parteien eingeheimst. Doch mit 96 Voten bleibt Erwin Teufel auch künftig Regierungschef. Dieter Spöri, der SPD-Chef, wird Wirtschaftsminister und sein Stellvertreter. Das Finanzministerium, gerade in mageren Jahren eines der einflußreichsten Ressorts, bleibt auch weiterhin in der Hand des CDU-Rechtsauslegers Gerhard Mayer-Vorfelder. Frieder Birzele, SPD, wird die Formel seines Amtseids — „so wahr mir Gott helfe“ — als künftiger Innenminister des Landes noch brauchen. Birzele, der gut ein Jahr den Vorsitz im Späth-Untersuchungsausschuß geleitet hatte, um ihn dann als designierter Innenminister ergebnislos einzustellen, wird sich künftig nicht einmal auf die Unterstützung der ihm unterstellten Polizeibeamten verlassen können. Noch im Wahlkampf hatte die SPD den Polizisten bessere Besoldung und Laufbahnchancen versprochen. In den Koalitionsvereinbarungen mit der CDU ist davon nichts übriggeblieben.

Doch auch die CDU wird sich in den nächsten vier Jahren mit Altlasten herumschlagen müssen. Hermann Schaufler, früherer Wirtschaftsminister und reichlich skandalverdächtig durch die „Spielkasinoaffäre“, mußte schon aus Proporzgründen Verkehrsminister werden, hatte sich doch sein CDU-Kollege Dietmar Schlee beleidigt geweigert, vom Innen- ins Justizministerium zu wechseln. Dorthin hat die Regierungsrochade den kleinen Bruder von Wolfgang Schäuble, Thomas, verschlagen.

Mit der maroden Umwelt und der völlig ungeklärten Müllentsorgung im Südweststaat wird sich künftig der Umweltexperte der Bonner SPD, Harald B. Schäfer, herumschlagen müssen, aber er hat es ja so gewollt. Kaum einer hatte so vehement nach Bestätigung im Amt gedrängt wie er. Muß sich die SPD-Aussteigerin Brigitte Unger-Soyka noch mit einem reichlich zusammengeflickten Ressort für Familie, Frauen, Weiterbildung und Kunst abfinden, so scheint doch wenigstens die Nominierung der SPD-Sozialexpertin Helga Soliger zur neuen Sozialministerin einer der wenigen Lichtblicke zu sein. Der Rest stammt eh aus der alten Ministerriege. Klaus von Trotha etwa als Minister für Wissenschaft und Forschung, Gerhard Weiser für die baden-württembergische Landwirtschaft, und Erwin Vetter, ehemals Umweltminister, ist jetzt nur noch Minister. Das Land wird sie aushalten, in jeder Hinsicht. Ob sie sich selbst aushalten, steht noch dahin.