RAF-Aussteiger sollen hinter Gitter

Bundesanwaltschaft fordert im Prozeß gegen Sigrid Sternebeck und Ralf Baptist Friedrich neuneinhalb beziehungsweise acht Jahre Haft/ Verteidigung plädiert auf Freispruch/ Wacklige Indizien gegen Friedrich  ■ Von Dietrich Willier

Stuttgart (taz) — In Stuttgart- Stammheim hat die Bundesanwaltschaft am Mittwoch im bisher längsten Prozeß gegen zwei RAF/DDR- Aussteiger eine neuneinhalbjährige Haftstrafe für das frühere RAF-Mitglied Sigrid Sternebeck gefordert. Bundesanwalt Klaus Pflieger hält es für erwiesen, daß Frau Sternebeck zumindest indirekt an der Entführung des ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer sowie an der Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags auf den Nato- Oberbefehlshaber Alexander Haig beteiligt gewesen ist. Ralf Baptist Friedrich, der nach seinem Abtauchen in der ehemaligen DDR Frau Sternebeck geheiratet hatte, soll als Mitglied der RAF, zusammen mit der bereits verurteilten Susanne Albrecht, den Sprengstoff für das Haig- Attentat in Italien beschafft haben. Für ihn forderte die Bundesanwaltschaft acht Jahre Haft. Die Rechtsanwälte der Aussteiger plädierten gestern auf Freispruch.

Vor allem beim Strafvorwurf gegen Ralf Baptist Friedrich ist die Beweislage nach Ansicht seiner Verteidiger noch völlig ungeklärt. Friedrich hatte zwar eingestanden, in Mailand von einem Mitglied der italienischen Terrorgruppe „Rote Brigaden“ eine größere Menge Sprengstoff übernommen und zusammen mit Susanne Albrecht nach Frankreich geschafft zu haben. Er besteht aber bis heute darauf, daß die Aktion nicht wie von Frau Albrecht geschildert im Frühsommer 1979, sondern bereits ein Jahr vorher stattgefunden habe.

Bereits vor wenigen Wochen hatte das ehemalige RAF-Mitglied Peter- Jürgen Boock als Zeuge diese Einlassung indirekt bestätigt. Zum weiteren Beweis für die Richtigkeit seiner Angaben und den zeitlichen Irrtum von Frau Albrecht hatte Ralf Baptist Friedrich vor Gericht geschildert, wie sie einen Teil des übernommenen Sprengstoffs in einem Olivenhain bei San Remo vergraben hätten. Ein Beschluß des Stuttgarter Oberlandesgerichts, Friedrich möge Beamte des BKA zu dem Sprengstoffdepot führen, wurde bisher noch nicht ausgeführt. Der Vorsitzende des 5. Strafsenats am Stuttgarter Oberlandesgericht hat bereits am vergangenen Mittwoch darauf hingewiesen, daß es sich bei der Beteiligung der beiden Angeklagten an dem Haig-Attentat auch um einen minderschweren Fall von Beihilfe handeln könne. Bundesanwalt Klaus Pflieger hatte in seinem Plädoyer die geringe „Aufklärungshilfe“ der beiden Angeklagten im Sinne der Kronzeugenregelung und deren „taktisches Verhalten zur Wahrheitsfindung“ kritisiert. Sollte das Gericht den Beteuerungen des Angeklagten Ralf Baptist Friedrich Glauben schenken, bestünde die rechtliche Möglichkeit, daß Friedrich straffrei entlassen werden könnte.