„Der weiße Mann ist verrückt, krank vor Zerstörung“

■ Der Bremer Solidaritätspreisträger Davi Copenava Yanomami über den Kampf um sein Yamani-Volk

Davi Copenava Yanomami lebt im Regenwald des Amazonasgebiets. Im Frühjahr erhielt er den Bremer Solidaritätspreis des Senats. Zur Debatte um den Umweltgipfel in Rio dokumentieren wir ein Interview, das Werner Lenz von der Bremer Zeitschrift „Stimme“ mit Davi Copenama führte, als er in Bremen den Preis entgegennahm.

Werner Lenz: Wo lebt das Volk der Yanomani, wie lebt ihr dort und wovon ernährt ihr euch?

Davi Copenava: Meine Heimat liegt sehr weit weg von hier, im tropischen Regenwald, sehr weit entfernt von der Stadt. Ich wohne zusammen mit meinen Verwandten, mit meinem Volk. Wir wohnen in einer „malorca“ (ein überdachter Platz von etwa 60 Metern Durchmesser). Wir leben und arbeiten dort, jagen, fischen, pflanzen alles mögliche. Die Yanomami ernähren sich von dem, was die Natur hergibt. Unsere Kultur ist völlig verschieden von Eurer. Unsere ist von Omam gemacht, dem Schöpfergeist. Die Yanomami sind die Enkel von Omam, das Blut von Omam. Er war der erste Yanomami, der erste Xabore (Medizinmann), der uns all unsere Sitten und Gebräuche gegeben hat.

Wie ist die Stellung der Kirche im Reservat?

Unsere Religion ist nicht schriftlich niedergelegt. Wir haben keine Bücher. Meine Religion geht auf Omam zurück. Unser Xabore hat kein Haus, keine Kirche, er wohnt in der Welt. Ich glaube, daß unser Gott existiert, ich möchte, daß ihr auch an meine Religion glaubt. Gott und Omam sind die beiden Schöpfer der Erde, euer Gott allein reicht nicht, es müssen zwei sein.

Wie lebt ihr in der 'malorca'?

Eine „malorca“ ist ziemlich groß. In meiner leben ca. 87 Personen, die im hinteren Teil schlafen. Das ist unserer ureigenster Brauch. Jede Familie hat ihren Platz, um Feuer zu machen, Essen zuzubereiten. Die Kinder spielen, es wird gesungen, alle sind zufrieden.

Gibt es bei euch so etwas wie Handel? Geld?

(lacht) In der ganzen Gemeinschaft der Yanomami gibt es kein Geld, es existiert nicht. Was ist Geld? Alles, was wir brauchen, machen wir selbst. So etwas (deutet auf seine Jeans und Hemd) gibt es nicht. Die meisten benutzen einen Tanga, um ihre Blöße zu bedecken. Handel oder Viehzucht gibt es nicht. Die Natur erzeugt, damit wir leben können. Wir leben in der Hand von Omam.

Nun hat es ja vor einigen Jahren eine Invasion von Goldsuchern gegeben. Wie hat sich das auf Eure Lebensweise ausgewirkt?

Ja, diese Goldsucher, die den Reichtum des gesamten indianischen Volkes suchen. Die Goldsucher sind nicht reich, es sind arme Leute. Aber sie, die den Reichtum des Waldes suchen, zerstören und verschmutzen die Flüsse, mißhandeln sie und die Fische, verscheuchen das Wild, sie hinterlassen ein Loch, wenn sie wieder wegziehen. Es war im Jahr 1986/87, als die Goldsucher kamen. Ich begann, dagegen anzukämpfen, erst langsam, es war sehr schwierig. Dann mit mehr Kraft, als vier Yanomami von den Goldsuchern umgebracht worden waren. Dann, nach einem Jahr, kamen Krankheiten. Grippe, Tuberkulose, Malaria und andere.

Vor den Goldsuchern gab es keine Malaria?

Nein, vorher gab es das Problem mit den Krankheiten nicht, oder nicht so ernsthaft wie heute. Die Goldsucher sind inzwischen wieder weg, aber was haben sie zurückgelassen? Eine ramponierte Landschaft, verseuchte Flüsse, und Malaria. Die Goldsucher sind weg, die Krankheiten bleiben.

Das Yanomami-Gebiet liegt in der Nähe der Grenze zu Venezuela. Wird diese Grenze von den Yanomami respektiert?

Wir wissen nicht, wo die Grenze liegt. Wir Yanomami haben keine. Sie existiert nicht, nur für Euch! Für Euch gibt es viele Grenzen, das schafft viele Probleme. Aber es gibt nur ein Land, es ist unterteilt durch Flüsse und Berge; ihr aber schafft Grenzen, in unserem Denken gibt es keine Grenzen.

Wie könnte die Zukunft für die Yanomani aussehen, nach den Verschmutzungen und Zerstörungen, die stattgefunden haben?

Unsere Kinder und Enkel brauchen ihr eigenes Land, wo sie jagen und fischen können. Es gibt nur eine Zukunft für das Volk der Yanomami: Wenn die Weißen damit aufhören, unser Land zu nehmen, den Wald abzuholzen, den Reichtum der Natur zu zerstören, die Flüsse und den Fisch zu vergiften. Sonst stirbt unser Volk. Wenn der letzte Yanomami gestorben ist, wird der Himmel einstürzen. Noch leben ca. 9.000 Yanomami. Sie kämpfen dafür, daß ihnen nicht der Himmel auf den Kopf fällt. Aber es wird geschehen. Eines Tages, wenn es die Yanomami nicht mehr geben wird, werdet Ihr Euch erinnern an meine Botschaft. Ein großer Regen und Wind werden kommen. Ihr werdet Euch erinnern. So sieht unsere Zukunft aus.

Wie kann man die Zerstörung des Regenwaldes aufhalten?

Ich glaube, daß die Regierungen der Welt eine Allianz geschlossen haben, um den Regenwald zu zerstören. Der weiße Mann ist verrückt, krank vor Zerstörung. Hier gibt es viele Sachen in den Läden zu kaufen. Viele Produkte gehen auf Rohstoffe aus dem Regenwald zurück. Laßt doch das Gold in der Erde ruhen, Gold kann man nicht essen. Ich habe große Angst: in meinem Volk hat es bisher noch keinen Fall gegeben, was ihr als AIDS bezeichnet. Die Natur lebt, genauso wie wir, das besagt auch eure Religion. Also laßt die Berge zufrieden, den Regen, und all das, was die Natur uns zum Leben gibt.

Weißt du schon, was du mit den 10.000 DM Bremer Preisgeld machen willst?

Ich werde den Scheck mit in mein Dorf nehmen, ihn dort zeigen, und erklären, was er bedeutet. Aber auch den Weißen werde ich ihn zeigen. Vielleicht macht das Eindruck auf sie, und sie respektieren das Reservat der Yanomami in Zukunft.