Schräglage im Kellergewölbe

■ Adolfo Assor und Dietrich Burmeister zeigen Texte von Daniil Charms im Garn-Theater: »Der Pilz oder Symphonie Nr. 14«

Die theatralen Lesungen, die der russische Rhapsode und futuristische Schreiber Daniil Charms mit seinen Freunden in den zwanziger Jahren abhielt, wurden seinerzeit von der öffentlichen Meinung als zynischer Blödsinn vehement angegriffen. Die gnadenlos witzige Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten und der ernsthafte Wunsch, die genormten müden Wege der vorgefundenen Ästhetik zu verlassen, setzte ein ungeahntes revolutionäres Potential frei und machte die Kunstschreibe jenseits der Sinndeklamation zu einem die erstarrte Welt gefährlich bedrohenden Eingriff.

Gleichwohl Daniil Charms, der »Philosoph des Absurden«, erst dieser Tage richtig entdeckt wird, ist die Provokation durch seine Texte und Textchen schon historisch. Der Schock ist grenzenlosem Amüsement gewichen und gnadenlosem Lachanfall ausgesetzt. Nichtsdestotrotz haben Adolfo Assor und Dietrich Burmeister den Versuch gewagt, aus den Texten des russischen Rhapsoden die böse Schnauzbärtigkeit herauszufiltern. Unter dem Titel Der Pilz oder Symphonie Nr. 14 entsteht im Garn-Theater am Kreuzberg eine Art Grand-Guignol-Spiel, das mit schrillen Tönen der hohlen Ratio in die logische Parade fährt.

Immer wieder wird dabei das bloße Reden als schlichte Wortanhäufung ad absurdum geführt. Ob da einer behauptet, er sei ein Prinz und dabei höchst unästhetisch seine Suppe schlürft, ob da einer süffisant erklärt, die Frau sei die Werkbank der Liebe, und dafür immer wieder einen übergezogen bekommt oder ob ein Mann die Frau im Park vergewaltigen will, aber seinen Allerwertesten nicht finden kann — die Situationen quasseln sich ins Uferlose und versanden ohne Rückhalt bizarr im irrationalen Taumel.

Assors Spielart, mit wenigen ausgestellten Zügen einen schrägen Charakter zu schaffen, wird hier restlos ausgebeutet und findet in dem feingliedrigen Spiel Burmeisters einen herrlichen Antipoden. Das ganz unaufwendige Spiel der beiden besticht durch eine Intimität, die die Berührung mit den Zuschauern nicht scheut und auch vor der gräßlichsten Grimasse nicht davonläuft. Das macht höchst komischen Effekt und in der Schnelligkeit, mit der die beiden Komiker — die wie Pat und Paterchon im Kellergewölbe rumoren— die Szenchen aneinandereihen, entsteht ein unangreifbares Fließen, das sich der ruhigen Kontemplation verschließt. Für Melancholie ist hier kein Platz — mit futuristischer Verve geht's schwindelerregend in die Kurve, und die gefährliche Schräglage wird bis zum äußersten ausgereizt. Eine kurzweilige, lustvoll in der Grimasse suhlende Angelegenheit, die das Überkandidelte stets sucht und auch stets findet. baal

13.6., 14.6, 22.-24.6., jeweils 20.30 Uhr, Katzbachstraße 19